Stronger

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Stronger - 2017 Filmposter
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Nach Peter Bergs „Patriot Day“ ist David Gordon Greens „Stronger“ schon der zweite Film, der den Anschlag auf den Boston Marathon als Ausgangspunkt nimmt. Im Gegensatz zu Bergs schon im Titel angedeuteten Patriotismus, geht es bei Green zurückhaltender, nachdenklicher zu, denn er stellt ein Opfer in den Mittelpunkt, das alles sein möchte, nur kein Held.

Im April 2013 explodierten zwei Bomben im Zielbereich des berühmten Boston Marathon. Drei Menschen starben, hunderte wurden verletzt, zum Teil erheblich. Die Jagd auf die Täter hielt Amerika tagelang in Atem, wie man Anfang letzten Jahres in Peter Bergs „Patriot Day“ verfolgen konnte, der die Ermittlungen minutiös nachzeichnete und am Ende den Tod bzw. die Verhaftung der Täter als patriotischen Erfolg feierte. Es lohnt sich, Bergs Film im Kopf zu haben, wenn man David Gordon Greens „Stronger“ anschaut, der ebenfalls den Anschlag als Ausgangspunkt nimmt, der die Verfolgung und Festnahme der Täter immer wieder im Hintergrund andeutet, aber einen ganz anderen, viel nachdenklicheren Fokus setzt. Wie so oft konzentriert sich Green auf Randfiguren der Gesellschaft, auf ganz gewöhnliche Menschen, die keine besonderen Qualitäten haben und auch ganz zufrieden damit sind, nicht im Mittelpunkt zu stehen.

So ein Mann ist Jeff Bauman (Jake Gyllenhaal), der durchschnittlicher nicht sein könnte: Mit Mitte 20 lebt er noch bei seinen Eltern in einem Arbeiterhaushalt, der unverhohlen von Alkoholproblemen gekennzeichnet ist. Und auch Jeff verbringt viel Zeit in seiner Stammkneipe, wo er mit den immergleichen Kumpels die immergleichen Kommentare über Erfolg und Misserfolge der Boston Red Sox abgibt, jenes Baseball-Team, das für typische Bostoner ein Teil der eigenen DNA ist. In einem Großhandelsunternehmen ist Jeff Verkäufer, aber selbst diesen ungelernten Job füllt er nur mittelmäßig aus, so wie er auch als Freund seiner Jugendliebe Erin (Tatiana Maslany) nur eine mittelmäßige Figur abgibt.

Die Mittelmäßigkeit dieses Mannes zu betonen ist wichtig, denn wovon „Stronger“ erzählt, ist wie dieser Mann durch seine zufällige Anwesenheit beim Marathon auf einmal in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit gezogen wird. Beide Beine verlor Jeff Bauman bei dem Anschlag, statt seiner Freundin im Zielbereich zum erfolgreichen Marathon-Lauf zu gratulieren, findet sich Bauman im Krankenhaus wieder, vollkommen aus der Bahn geworfen – und auf einmal im Mittelpunkt des Interesses.

Kaum ein Land versteht es so gut, nationale Tragödien in heroische Geschichten umzudeuten wie Amerika, wo Niederlagen oder Terroranschläge durch den beherzten Einsatz des Militärs, noch besser aber durch heroische Aktionen von Zivilisten zu einem Moment des kollektiven Bewusstseins werden. Doch was passiert, wenn ein Mensch gar nicht im Rampenlicht stehen will, wenn er es als unangenehm empfindet, vor Sportereignissen – bei denen in Amerika traditionell die Nationalhymne gesungen wird – mit der Fahne in der Hand in die Arena geschoben zu werden, um eine Stärke zu suggerieren, die er gar nicht hat. Wie Jeff Bauman mit diesem Zwiespalt umgeht, mit der Diskrepanz zwischen seiner nun öffentlichen Person und seinen inneren Gefühlen, davon erzählt David Gordon Green. Nachdenklich ist „Stronger“, auch vorsichtig kritisch in seiner Darstellung der amerikanischen Medien und Öffentlichkeit und ihres Wunsches, Helden zu finden, vor allem aber das beeindruckende Porträt eines Mannes, der unter widrigen Umständen seinen Weg zu gehen versucht.

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