70. Filmfestspiele in Cannes

Eine bewegende Ehrung wurde auch André Techiné zuteil, der in diesem Jahr für sein Lebenswerk ausgezeichnet wurde. Nach der Vorführung eines Zusammenschnitts seiner schönsten Filmszenen bat Thierry Frémaux den Regisseur auf die Bühne, der dort nicht nur mit einem Preis, sondern auch mit dem tosenden Applaus des Publikums für sein langjähriges Schaffen belohnt wurde. Zahlreiche Schauspieler, die mit ihm gedreht hatten, waren gekommen, um dem Altmeister ihre Referenz zu erweisen: Lambert Wilson, Catherine Deneuve, Isabelle Huppert, Juliette Binoche, Sandrine Kiberlain, Eldodie Bouchez, Emmanuelle Béart, sprich das ‚Who is Who‘ des französischen Kinos hatte sich versammelt, und wohnte auch der anschließenden Vorführung seines neuesten Films GOLDEN YEARS bei. Der wiederum gehörte nicht zu seinen besten. Erzählt wird die wahre Geschichte des Franzosen Paul Grappe, einem Deserteur des 1. Weltkriegs, der den Krieg in einem Kellerversteck seines Hauses überlebte – dank seiner Frau, die ihn in Frauenkleider steckte und ihm so ermöglichte, der klaustrophobischen Enge seiner Behausung zu entkommen, ohne von der Militärpolizei entdeckt zu werden. Ähnlich wie Eddie Redmaynes Figur in THE DANISH GIRL findet Paul schnell Gefallen an diesem unfreiwilligen Gender-Tausch, dafür aber nach Kriegsende als Mann nur schwer ins Leben zurück.

Leider gerät Techinés Version allzu bieder und uninspiriert. Pierre Deladonchamps, der in DER FREMDE AM SEE noch brillierte, kann als Frau nicht überzeugen, zu lang ist wohl auch Redmaynes Schatten, den dessen geniale Verwandlung in sein weibliches Alter Ego wirft.

Etwas wagemutigere Pfade beschritt dagegen John Cameron Mitchell mit seinem HOW TO TALK TO GIRLS AT PARTIES. Bereits mit seinem expliziten Queer-Hit SHORTBUS hatte dieser vor Jahren Aufmerksamkeit erregt, für RABBIT HOLE besetzte er Nicole Kidman als trauernde Mutter, die dafür mit dem Oscar nominiert wurde. Hier spielt sie allerdings eine denkbar andere Rolle als Anführerin einer kannibalistischen Alien-Spezies, die im Jahre 1977 die Erde ansteuern und, im Großbritannien der Punk-Ära, gar nicht weiter auffallen. Der rebellische Teenager Enn verwechselt so eine Basis Station der Außerirdischen mit einer coolen House Party und lernt die schöne aber extrem gelangweilte Zan (Elle Fanning) kennen, die gerne etwas mehr von der Welt kennen lernen möchte, vor allem Punk Rock. Was nach einem großen Spaß klingt, funktioniert auch über weite Teile des Films ganz gut, verliert sich aber dann doch zu sehr in seinem Genre-Mix von Body-Horror, Coming-of-Age-Drama und anderen Versatzstücken.

Ebenfalls außer Konkurrenz lief Roman Polanskis erotischer Literaturthriller NACH EINER WAHREN GESCHICHTE (Studio Canal?), der erst am letzten Festivaltag gezeigt wurde und leider auch nicht die grimmige Präzision eines GHOSTWRITER erreichen konnte. Doch auch ein seichter Polanski ist immer noch ein genügend guter Film, in diesem Falle ähnlich seltsam anzusehen wie der seines französischer Kollegen François Ozon. Über weite Stecken erscheint der Plot derart überdreht und in seiner Intention vermeintlich offensichtlich, dass man ihn schwer ernst nehmen kann – und gerade in dieser Übertreibung zeichnet sich doch gegen Ende eine hintergründige Pointe ab, die, wie bei Ozon auch, den Zuschauer mit einem zufriedenstellenden Aha-Erlebnis aus dem Saal entlässt. Es macht zudem große Freude dem Spiel der beiden Hauptdarstellerinnen, Polanskis Frau Emmanuelle Seigner und der gefährlich-sinnlichen Eva Green zuzusehen. Diese derart herausfordernd zu kontrastieren und damit auch die beginnende Krise des Alterns bei Seigner mit zu thematisieren, zeigt, dass das Ehepaar nicht nur künstlerisch großes Vertrauen in einander setzen muss.

Auch Polanski mischte sich nochmal in die Netflix-Debatte ein und bekräftigte seine Überzeugung, dass sich Menschen immer im Kino treffen werden, um Filme zu schauen. Danach beendete Netflix-Chef Ted Sarandos selbst die Diskussion, in dem er äußerte, dass Cannes für seine Company uninteressant sei, wenn seine Filme nicht mehr im Wettbewerb liefen.

Doch kommen wir zurück zum Wettbewerb. Wie es Jacques Doillon mit RODIN (Wild Bunch), seinem Biopic über Auguste Rodin, in den Wettbewerb geschafft hat, war wohl selbst den Franzosen unklar. Zwar ist der Film bildgewaltig und mit Vincent Lindon, der Rodin als Bildhauer und Berserker überzeugend verkörpert, gut besetzt, ansonsten aber derart konservativ, dass ein französischer Kollege nach der Pressevorführung „Schulfernsehen“ in den Saal rief. Tatsächlich plätschert dieses Künstlerportrait vor sich hin und weiß nur zweimal Interesse zu wecken. Einmal in Rodins Kampf um seinen ersten Staatsauftrag ‚Balzacs Höllentor‘, der bei seinen Auftraggebern durchfiel, und in seiner Beziehung zu seiner begabtesten Schülerin Camille Claudel. Sie ist ihm künstlerisch ebenbürtig, wenn nicht sogar überlegen und hat schließlich auch den rettenden Einfall, Balzac nicht nackt, sondern mit Kleidern zu modellieren. Ihre Beziehung aber ist seinerzeit von dem französischen Kameramann Bruno Nuytten kongenial mit Isabelle Adjani verfilmt worden und hält diesem Vergleich nicht Stand. Da wäre die Geschichte zwischen Rodin und seiner Frau Rose Beuret interessanter gewesen, die von Séverine Caneele mit der Wuchtigkeit einer Königin und dem Stehvermögen eines Landmädchens angelegt wird und stets zwischen Geduld und Verzweiflung oszilliert. So wird man den Verdacht nicht los, dass sich hier das Rodin-Museum als Produktionspartner durchgesetzt hat, denn diese Biografie ist ebenso schön gefilmt wie altmodisch inszeniert – ohne jegliche Ecken und Kanten.

Ein echter Cannes-Liebling ist Naomi Kawase, die zuletzt mit KIRSCHBLÜTEN UND ROTE BOHNEN (2015) in der Un Certain Regard zu sehen war. In RADIANCE (Concorde) erzählt sie von Misako, einer Übersetzerin für Audiodeskriptionen, die ihr neuestes Werk bei einer Testvorführung mit Blinden bespricht. Dabei lernt sie Nakomori, einen Ex-Fotografen, der langsam sein Augenlicht verliert, kennen. Er wirft ihr vor, dass ihre Übersetzung zu detailliert sei, keinen Raum für eigene Vorstellungen und Emotionen lasse. Fortan kämpft Misako um die goldene Mitte zwischen einer zu elaborierten und einer zu knappen und damit profanen Übersetzung. Der mögliche Ausweg eröffnet sich ihr bei einer Begutachtung von Nakamoris Fotos, die ihr eine Tür öffnen. So nähern sich am Ende nicht nur Bild und Sprache an, sondern auch die beiden Protagonisten, was aufgrund des Altersunterschieds etwas aufgesetzt erscheint. Kawase ergeht sich dabei in Metaphern, die überfrachtet erscheinen und das Publikum nicht wirklich erreichen. Küsse vor dem schwindenden Licht des Sonnenuntergangs, wechseln ab mit poetischen Sätzen wie „Nichts ist schöner als das, was vor deinen Augen verschwindet.“ Kawase ist ein hochmetaphorischer Film gelungen, der nicht nur über Sprache und Bilder nachdenkt, sondern Film auch als ‚Einfangen von Licht‘ versteht. Dennoch gelingt es ihr nicht, dieses Konzept in eine schlüssige Ästhetik zu übersetzen.

Hoch umstritten war auch LE REDOUTABLE von Michel Hazanavicius, in dem Louis Garrel den jungen Jean-Luc Godard spielt. Dies gelingt ihm auf beeindruckende Weise, kann er doch alle seine Facetten – vom galanten Liebhaber über den brillanten Denker bis hin zum intellektuellen Arschloch – überzeugend interpretieren. Dabei folgt der Film ganz der Biographie und Perspektive seiner zweiten Ehefrau Anne Wiazemsky, beschreibt sein Genie vor dem Hintergrund der Mai-Unruhen 1968 in Paris, aber auch wie er sich an Themen und Mitstreitern abarbeitet und dabei immer unzugänglicher wird, bis er am Ende sowohl Jean-Luc als auch Godard getötet hat, um einen neuen Godard entstehen zu lassen. Der ist für die meisten Filmfreunde reichlich sperrig, was man von diesem Film überhaupt nicht sagen kann. Mit großer Inbrunst und Ironie dekonstruiert Hazanavicius den Mythos Godard, zeigt sein Denken, verneigt sich vor seiner Bedeutung für den Film, um anschließend seine Unzulänglichkeiten aufs Korn zu nehmen. In Frankreich wurde der Film von den Godard-Hassern frenetisch gefeiert, während er von den Puristen als eine Art Gotteslästerung zutiefst abgelehnt wurde. Zu schade, dass Godard hierzulande schon derart vergessen sein dürfte, dass dieser amüsante Disput sich in deutschen Kinosälen wohl kaum fortsetzen wird.

Große Erwartungen setzte man wie immer in Michael Haneke, über dessen neuen Film lange nur bekannt war, dass er sich mit der Flüchtlingskrise auseinandersetzen wolle. Doch sein HAPPY END (X-Verleih), dessen Titel natürlich ironisch zu verstehen ist, ließ die Schockwirkung ausbleiben und stellte die politische Dimension hinter eine ausgiebige Kritik der bürgerlichen Familie zurück. Stilistisch wandte er sich damit eher seinen frühen Erfolgen zu, wie BENNYS VIDEO und deren Medienreflexionen als Sezierungen sozialer Gewalt. Der Prolog des Films zeigt sich so komplett über die Kamera eines Smartphones, mit der ein zunächst nicht näher bestimmtes Kind recht gnadenlos den tristen Alltag mit einer allein erziehenden Mutter kommentiert. Nachdem es diese vergiftet hat, übernimmt der Vater und seine bourgeoise Großfamilie die Sorge um den psychisch labilen Sprössling. Diese verfügen über ein Bauimperium, das kurz vor der Übernahme steht und über dessen marode Charaktere Haneke wohl eine Art Kritik am alten Europa zu formulieren versucht. Mit einem äußerst beeindruckenden Cast – von Jean-Louis Trintignant und Isabelle Huppert über Toby Jones und Mathieu Kassovitz zu Franz Rogowski aus LOVE STEAKS – gelingt Haneke es diesmal nur bedingt, die messerscharfe Intensität von Filmen wie CACHÉ zu erreichen, in denen die langen Einstellungen nach einer Weile in die Vielschichtigkeit eines unterschwelligen Grauens kippten, und dabei auch die Gewaltgeschichte einer ganzen Nation mitthematisieren konnten. In HAPPY END verdichtet sich der Gegenstand der Kritik nicht genug, man meint ihn aus vielen anderen französischen Filmen ausreichend zu kennen und die Übertragung vom Familiären zum Gesamtgesellschaftlichen vermag nicht zu gelingen, hier ist der russische Beitrag von Zvyagintsev um Längen komplexer gelungen. So ging der Film auch bei der Palmenvergabe leer aus, wird jedoch durch seine Namen sicherlich sein Publikum finden.

Einen völlig anderen Zugang zum Thema aktueller europäischer Krisen wählte dagegen der ungarische Wettbewerbsbeitrag. Kaum ein Genre arbeitet sich so sehr an den Grenzen des Vorstellbaren ab, wie der Science-Fiction-Film, bezieht in Bedrohungsszenarien das kulturell Fremde immer wieder neu auf gesellschaftliche Schieflagen, die sich von ihm herausgefordert fühlen. Insofern ist es eigentlich nur konsequent von Kornél Mundruczó, die Flüchtlingskrise durch ein Narrativ des Fantastischen zu adressieren, und mit JUPITER’S MOON ausgerechnet das kommerziellste unter ihnen, den Superhelden-Film zu wählen. Die extreme Gespaltenheit, welche diese Verbindung beim Publikum auslöste, beweist nur, wie gelungen der junge ungarische Regisseur das politische Moment freizusetzen wusste, welches den meisten Graphic Novels von Marvel, DC und ähnlichen im Kern innewohnt. Doch darüber hinaus verwendete Mundruczó noch viele andere Elemente, zeigt die Flüchtlingslager in Ungarn mit einem dokumentarischen Blick, der sich auf eindringliche Weise in den Fluss der fiktionalen Geschichte fügt. Der junge syrische Protagonist, dem die Kamera bei seiner gefährlichen Reise folgt, löst sich jedoch bald aus den gängigen Erwartungsmustern der Zuschauer – denn er wird von einem Grenzpolizisten erschossen und stirbt nicht. Doch was ihm widerfährt, ist mehr als bloßes Überleben. Seine Wunden wie auch sein Körper bleiben in der Schwebe. Hier findet Mundruczó Anschluss an christliche Ikonographien, die an die Herkunft Jesu aus dem Morgenland erinnern und legt sich doch nie auf eine bestimmte religiöse Richtung fest. Die große Kunstfertigkeit des Films liegt in seiner unaufdringlichen Adressierung des Spirituellen, die er gekonnt mit Spannungselementen des Action-Thrillers zu verbinden weiß, ohne jemals geschmacklos zu werden. Ganz gleich wie man zur Herangehensweise an das Thema stehen mag: JUPITER’S MOON ist in jeder Minute ein Film, der im Kino funktioniert und dabei utopische Territorien erschließt – hier der des namensgebenden Mondes von Jupiter: Europa. Und dies derart eingängig, dass er sogar dem Amerikaner Will Smith von allen Filmen am besten gefiel.

Der Lieblingsfilm von Almodóvar war unterdessen auch nicht schwer zu erraten: Das epische und durchweg hervorragende Aids-Drama 120 BEATS PER MINUTE verschränkt das Politische mit dem Erotischen und überzeugt in der Zeichnung seiner Charaktere und ihrem Ringen um Anerkennung, Liebe und die Zeit, die noch bleibt. Der gebürtige Marokkaner Robin Campillo machte vor allem durch seine Autorschaft für Laurent Cantet auf sich aufmerksam, verhalf ihm so auch für DIE KLASSE durch sein Ausnahme-Drehbuch zur Goldenen Palme. Viele dieser Stilelemente finden sich auch in seiner Regie-Arbeit wieder, eine Mischung aus langen dokumentarisch anmutenden Beobachtungen von Gesprächen und intimen Szenen, die einen tieferen Blick auf die Charaktere ermöglichen. Ende der Achtziger Jahre geht ein Gespenst um, im Frankreich Mitterands – und das Gespenst heißt HIV, denn die Zahlen der Infizierten steigen, doch niemand spricht darüber. Assoziiert wird die Krankheit immer noch mit den verachteten Randgruppen, den Homosexuellen, Prostituierten, Kriminellen und Drogensüchtigen. Die Politik sieht keinen Aufklärungsbedarf, dabei ist Aids schon lange in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Nach dem Vorbild von Aktivistengruppen aus New York gründet sich auch der französische Zweig von „Act Up“ in Paris als durchaus militantes Bündnis sehr unterschiedlicher Betroffener, die sich gegen die mediale Ausgrenzung und elitäre Pharma-Konzerne zur Wehr setzen, engagiert, kreativ und manchmal auch mit der nötigen Gewalt eines legitimen Protests. Campillo, der sich nach seinem Filmstudium ebenfalls intensiv in solchen Gruppen engagiert hat, zeigt die langen internen Debatten um die Richtung des politischen Vorgehens, innere Zerwürfnisse und Allianzen von Menschen mit außergewöhnlichen Schicksalen, deren Loyalität und Liebe zueinander dennoch eine Unbedingtheit erreicht, im Wissen, dass das eigene Leben schon bald abrupt zu Ende sein kann. Dabei fokussiert sich der Film schließlich auf die Beziehung zweier Mitglieder, von denen nur einer HIV-positiv ist – und der von seinem Freund dennoch auf dem Weg ins Ungewisse begleitet wird. Dabei erreicht Campillo mit seiner Inszenierung der schwulen Liebesbeziehung stellenweise die Nähe und affektive Kraft von LA VIE D’ADÈLE.

Dass die Jury unserem diesjährigen Cannes-Highlight tatsächlich die Goldene Palme zusprach, war ein Novum, dass einen am Ende mit vielen durchschnittlichen Filmen versöhnte. Der Gewinner des Festivals ist THE SQUARE (Alamode) von Ruben Östlund, der mit seinem letzten Film HÖHERE GEWALT in der Certain Regard den Jury Preis gewonnen hatte. Damals interessierte er sich für einen Familienvater, der im Skiurlaub seine Familie bei einem Beinah-Lawinenunglück alleine lässt, nun geht es um Christian (Nomen est Omen), einen gut aussehenden, erfolgreichen und eloquenten Museumsdirektor, der bei der Vermarktung seiner neuen Ausstellung, aber auch privat – nachdem ihm sein Handy gestohlen wird – mit der von ihm verlangten „political correctness“ in Konflikt gerät. Das titelgebende Quadrat ist Teil einer von ihm konzipierten Ausstellung mit Bezug auf die „Relational Aesthetics“, einer Kunstrichtung, die vom französischen Kurator Nicolas Bourriaud mitgeprägt und durch den Wunsch angetrieben wurde, das Museum zu einem echten Ort des sozialen Austauschs werden zu lassen. Dieser schöne Gedanke erscheint in Östlunds bissiger Satire nicht zu unrecht als weltfremde Utopie einer intellektuellen Elite, die sich schon längt in den Elfenbeinturm ihrer poststrukturalistisch-verschlüsselten Katalogtexte zurückgezogen hat. Denn der angestrebte Austausch ist auch schon lange unterwandert von neoliberalen Interessen und aggressiven Vermarktungsstrategien, die zu dem intellektuellen auch noch einige andere Machtgefälle ins Spiel bringen.

Östlund ist ein Film gelungen, über den man viel diskutieren wird – in den Feuilletons der Zeitungen wie in den Kino Foyers, und vielleicht auch in einigen Chef-Etagen von zeitgenössischen Museen. Die Goldene Palme ist hochverdient, da es ihm gelingt, eine Schieflage des gesamten Kulturbetriebs zu adressieren, die letztlich auch politische Konsequenzen nach sich trägt – wenn die Kunst dem Populismus nichts mehr entgegen zu setzen hat, um sich selbst kreist, die Menschen mit ihrer intellektuellen Unzulänglichkeit konfrontiert, anstatt sie auf intelligente Art anzusprechen und mitzunehmen. Wenn Inklusion auf diese Weise nur noch als Marketing Instrument erscheint, lässt sich das als Bankrotterklärung auch einer engagierten Linken verstehen. Dabei gelingt es Östlund mit sehr viel schwarzem Humor stets einen Widererkennungsfaktor zu schaffen, der wohl jeden im Kultur- und Medienbereich Arbeitenden irgendwo trifft. Wenn man auch ein Stück über sich selbst lachen kann, bietet THE SQUARE daher großes unterhaltsames wie selbstreflexives Potential – wenn nicht, sollte man vielleicht darüber nachdenken, wie weit man selbst schon in diese neue Form der Kulturindustrie verstrickt ist.