International Film Festival Rotterdam 2018

Das diesjährige Motto „Meet the humans of Planet IFFR“ versprach auf eine ganz illustre Spezies zu treffen: „Kreative, neugierige, komplexe und frohgemute Wesen, die eines eint: die Liebe zum Kino“, wie Festivaldirektor Bero Beyer sagt. Natürlich bietet das Festival dazu eine feste Plattform für unabhängige Filmemacher und Künstler, die ihre individuelle Sicht auf oft erfrischende Weise präsentieren.

In „Big Talks“ oder „Masterclasses“ diskutierte u.a. die großartige Charlotte Rampling über ihre beeindruckende Hauptrolle in „Hannah“ von Andrea Pallaoro, aber auch ein gut gelaunter Paul Schrader (Taxi Driver) war anwesend und stellte seinen neuesten, stark spirituellen Film „First Reformed“ vor, in einer Glanzrolle Ethan Hawke als gebrochener Priester, der aber auch gleichzeitig wie eine ältere Version von Travis Bickle wirkt. Als besonderes Highlight gab sich der tschechische Altmeister des Surrealen Jan Svankmajer die Ehre und zeigte seinen wohl letzten Langspielfilm „Insect“ als Weltpremiere. Mit schelmischen Blick erzählt Svankmajer in einem doppelbödigen Mix aus animierten und gespielten Bildern wie eine Amateurgruppe das satirische Stück „Aus dem Leben der Insekten“, im Jahre 1921 von den tschechischen Gebrüdern Capek verfasst, einübt. Dabei lässt er uns sogar mit einem Augenzwinkern in die Trickkiste seines künstlerischen Schaffens blicken.

In der Programmreihe „Pan-African Cinema Today“ porträtiert das außergewöhnlich schöne Filmpoem „Milford Graves Full Mantis“ eben denselben legendären Free-Jazzer Milford Graves, der u.a. Naturforscher, Musiktherapeut, Martial-Arts-Künstler, eben ein alles miteinander verbindender, spiritueller Geist und vieles mehr ist. Die Weltpremiere fand in Anwesenheit dieses charismatischen Denkers und Genius statt. Chapeau! In der cleveren, mexikanischen Satire „Tiempo compartido“ von Sebastián Hofmann mietet sich eine Kleinfamilie für eine Woche in ihr lang ersehntes Hotelparadies ein. Doch der perfekte Schein ist so künstlich wie das pinke Neonlicht des Filmtitels und wie wir alle wissen, hat alles so seinen Preis… In einer wunderbaren Nebenrolle ist R.J. Mitte (Breaking Bad) zu sehen. Der französische Debütfilm „Jusqu‘à la garde“ beginnt sehr unaufgeregt: ein Sorgerechtsstreit um zwei Kinder wird geklärt. Wie so oft gibt es mehrere Wahrheiten. Ist die Mutter zu hysterisch, wiegelt sie die gemeinsamen Kinder gegen den Vater auf? Oder ist der Vater ein brutaler Schläger? Nach und nach verdichtet sich das Drama und wird so spannend wie ein Thriller. Nicht umsonst bereits mehrfach ausgezeichnet, u.a. für ‚Beste Regie‘ in Venedig.

Nach zehn Jahren Pause gab es endlich wieder die „Rotterdämmerung“, eine Reihe von Filmen, die auf ihre eigene Weise Genregrenzen ausloten und überschreiten. Hier gab es unter anderem die wilde südkoreanische „Nikita“-Variante „The Villainess“ von Jung Byunggil, den dystopischen, von japanischen Manga-Elementen und westlicher Graphic-Novel-Tradition beeinflussten Animationsfilm „Mutafukaz“ von Nishimi Shojiro und Guillaume Renard und den neuen Streich des in Belgien lebenden französischen Künstler-Duos Hélène Cattet und Bruno Forzani „Laissez-bronzer les Cadavres“ zu bewundern, der Giallo-, Western- und Gangsterfilmelemente mischt und zu einem extravaganten Bild- und Soundrausch vereint.