303

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303 - 2018 Filmposter
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Zur Cannes-Premiere von „Die fetten Jahre sind vorbei“ trotzte Hans Weingartner einst dem Glamour und fuhr mit seinem klapprigen Campingbus am Roten Teppich vor. Ein altes Wohnmobil vom Titel gebenden Typ 303 spielt nun die Hauptrolle in diesem Lovestory-Road-Movie. Mit dem alten Daimler will die junge Studentin Jule nach Portugal zu ihrem Freund fahren. Unterwegs nimmt sie den Tramper Jan auf. Die beiden philosophieren, streiten, flirten während der gesamten Reise. Slow-Dating auf 2.500 Kilometer quer durch Europa. 14 Jahre nach Cannes gelingt Weingartner wieder ein kapitalismuskritischer Coup mit Kultfilm-Qualitäten.

Wie gut Plappern auf der Leinwand klappen kann, hat Richard Linklater mit seiner „Before Sunrise“-Trilogie bestens bewiesen. Wie dort Julie Delpy und Ethan Hawke, überzeugen hier nun Mala Emde und Anton Spieker als quirlig sympathisches Duo der wahrhaftigen Art mit reichlich Wiedererkennungspotenzial. Beim Quatschen über Gott und die Welt und die letzten Fragen der Menschheit bleibt natürlich noch genügend Zeit zum Suchen und Finden der Liebe:
Die Biologie-Studentin Jule (Mala Emde) hat gerade keinen ganz so guten Lauf. Sie rasselt trotz leichter Fragen durch die Prüfung. Mama drängt die Tochter zur Abtreibung. Freund Alex im fernen Portugal ahnt derweil noch gar nichts vom kommenden Vaterglück. Um klaren Kopf zu bekommen, macht sich Jule mit ihrem alten Wohnmobil auf die lange Reise in Richtung Süden. Der Politik-Student Jan (Anton Spieker) hat gleichfalls wenig Grund zum Jubeln. Sein eingeplantes Stipendium wurde mit windiger Begründung abgelehnt. Frustriert beschließt er spontan, endlich seinen leiblichen Vater in Spanien zu besuchen, dessen Existenz ihm erst seit Kurzem bekannt ist. Von der gebuchten Mitfahrgelegenheit versetzt, bleibt nur noch Tramper-Glück. Nach etlichen Absagen auf einer Raststätte, trifft Jan schließlich auf Jule. Die freut sich durchaus auf ein bisschen Gesellschaft am Steuer. Die beiden 24-Jährigen sind sich auf Anhieb sympathisch. Ein kleines Missverständnis sorgt jedoch für großen Ärger. Jan fliegt alsbald aus dem Wohnmobil. Das Schicksal führt die beiden wenig später unter dramatischen Umständen aber wieder zusammen.
Nach diesem etwas holprigen Start kann die Reise Richtung Atlantik losgehen. Mit Smalltalk-Vorglühen hält sich das diskussionsfreudige Duo nicht lange auf, schnell geht es an das Eingemachte. Vom großen Ganzen im Leben bis zum kleinen Detail in der Liebe. Ob Niedergang der Neandertaler, Siegeszug des Kapitalismus, Zweifel an der Monogamie oder jene entscheidenden drei Sekunden vor dem Kuss – an Themen herrscht auf diesem Trip kein Mangel.

Es ist sichtlich spürbar, welches Vergnügen Weingartner am Verfassen der witzig nachdenklichen Wortgefechte hatte – gleichsam nebenbei erfindet „303“ das Genre der philosophischen Screwball-Comedy. Für Schauspieler sind solch geschliffenen Dialoge natürlich eine gemähte Wiese. Sie so spontan und natürlich klingen zu lassen, ist freilich das starke Stück, das Mala Emde und Anton Spielker mit so überzeugender Leichtigkeit liefern wie einst Julie Delpy und Ethan Hawke bei ihren „Before Sunrise“-Auftritten.
So verlässlich der alte Daimler, Baujahr 1980, mit gemächlichem Tempo gen Süden zuckelt, so pannenfrei entwickelt sich der Charme dieses vergnüglich nachdenklichen Roadmovies. Regisseur Weingartner, einst in Wien bei „Before Sunrise“ als Produktionsassistent mit dabei, sagt über seine Lovestory „Es ist sozusagen der ‚Anti-Tinder’ Film. Statt 3 Sekunden Wisch-und-Weg, die langsame Annäherung zweier Seelen. Zwei Menschen beim sich langsam ineinander Verlieben zuschauen. So wie es früher einmal war.“ Das trifft durchaus den Nerv der Zuschauer. Die erste Fahrprüfung vor Publikum hat „303“ auf der Berlinale jedenfalls bestens bestanden.