Alles ist gutgegangen

Cannes 2021

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Untätigkeit kann man François Ozon sicher nicht vorwerfen und dass trotz Corona. Seine bittersüße Romanadaption SOMMER 85 gehörte zur Auswahl von Cannes 2020. Da das Festival nicht stattfand, bot man ihm an, ihn 2021 zu zeigen, doch da hatte er längst den nächsten Film fertig. Wieder eine Romanverfilmung, die auf den Erinnerungen der 2017 verstorbenen Schriftstellerin Emmanuèle Bernheim beruht. Bernheim unterstützte Ozon bei den Drehbüchern zu UNTER DEM SAND, SWIMMINGPOOL, FÜNF MAL ZWEI und RICKY. Der prominent besetzte Film packt ein nach wie vor kontrovers diskutiertes Thema an.

Die Autorin Emmanuèle Bernheim (Sophie Marceau) steht mit beiden Beinen fest im Leben. Doch dann erhält sie einen Anruf, der ihre Welt ins Wanken bringt. Ihr Vater André (André Dussollier) hat einen Schlaganfall erlitten und liegt im Krankenhaus. Gemeinsam mit ihrer Schwester Pascale (Géraldine Pailhas) versucht sie, den alten Mann wieder aufzubauen. Die drohenden Beeinträchtigungen und die Angst, nicht mehr allein klarzukommen, drücken aber kräftig auf die Stimmung des Industriellen und leidenschaftlichen Kunstsammlers. War er bislang stets ein Macher, scheint er fortan immer auf seine Umwelt angewiesen zu sein. Obwohl sich nach einer Verlegung erste Fortschritte einstellen, wendet sich André mit einer brisanten Bitte an seine Lieblingstochter Emmanuèle: Er will sterben und fordert sie auf, eine Möglichkeit der Sterbehilfe für ihn zu finden.

Gar nicht so einfach, denn in Frankreich ist Sterbehilfe verboten. Schließlich findet sie eine entsprechende Einrichtungen in der Schweiz. Doch der Vater erzählt den Plan überall herum und ruft damit die Polizei auf den Plan. Da aber alles über einen Rechtsanwalt abgesichert wurde, kann der Krankentransport in die Schweiz nicht verhindert werden. Als der Vater um Aufschub seines Sterbetermins bittet, weil er noch etwas Wichtiges erledigen muss, schöpft man kurz Hoffnung, dass er es sich noch einmal anders überlegt.

Darf man einem nahestehenden Menschen eine solche Bürde abverlangen? Oder umgekehrt: Kann man jemandem, den man aufrichtig liebt, einen solchen Wunsch guten Gewissens abschlagen? Diese beiden Fragen schweben ständig über dem Film und animieren den Zuschauer, seine eigene Haltung zu prüfen. André eine Abfuhr zu erteilen, sei grundsätzlich unmöglich, heißt es mehrfach. Und doch fällt es Emmanuèle schwer, seinem Drängen nachzugeben. Dass er den Wunsch an sie herangetragen habe, sei Ausdruck von tiefer Verbundenheit, gleichzeitig aber irgendwie auch pervers, sagt sie einmal und bringt damit ihre Zerrissenheit auf den Punkt.

Ozon erzählt diese recht heikle Geschichte als amüsante Farce, mit vielen ironischen Anspielungen, bissigen Seitenhieben und illustrer Besetzung bis in die Nebenrollen. So spielt Hanna Schygulla die Leiterin des Schweizer Hospizes und Charlotte Rampling die schon lange an Depressionen leidende Ehefrau des Patriarchen. Am Rande werden auch die Schrecken des Holocaust erwähnt, den die jüdische Familie Bernheim am eigenen Leib erfahren hat. Dabei inszeniert Ozon gewohnt stilsicher und mit einem Händchen für seine Schauspieler, die dafür sorgen, dass der Film nicht zu depressiv wird. Weil sich der Vater in seinem Todeswunsch so sicher ist und die Töchter ihm nur einen letzten Gefallen tun, bekommt der Film eine gewisse Leichtigkeit, die vor allem dem grandiosen Ensemble geschuldet ist. André Dussolier in einer fulminanten Altersrolle, die fast schon sein Vermächtnis sein könnte, Hanna Schygulla und Charlotte Rampling mit gekonnten Cameo-Auftritten und schließlich Sophie Marceau und Géraldine Pailhas als pfiffiges Geschwisterpaar sorgen dafür, dass man beinahe beschwingt das Kino verlässt, nahezu unglaublich bei diesem Thema.

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