Der verlorene Sohn

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Der verlorene Sohn - 2018 Filmposter
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Ein junger Mensch wird in einem Umerziehungscamp von sadistischen Aufsehern einer brutalen Gehirnwäsche unterzogen, um seinen Willen zu brechen. Nordkorea? Eine Diktatur? Eine Sekte? Nein, die USA im 21. Jahrhundert. Basierend auf dem autobiografischen Roman von Garrard Conley, schildert das höchst bewegende Drama die Leidensgeschichte des 19-jährigen Jared, der von seinem streng religiösen Vater gezwungen wird, an einer Konversionstherapie teilzunehmen, um von seiner Homosexualität „geheilt“ zu werden. An der Seite von Nicole Kidman und Russell Crowe liefert Lucas Hedges als sensibler Held eine grandiose Vorstellung, deren Wahrhaftigkeit unter die Haut geht.

„Ich wünschte, das wäre nie passiert!“, vertraut sich der Erzähler gleich zu Beginn dem Zuschauer an. Tatsächlich steht dem 19-jährigen Jared (Lucas Hedges) eine Leidensgeschichte bevor, die man in aufgeklärten Gesellschaften für ausgesprochen absurd halten dürfte – von der in den USA jedoch (laut Abspann) tatsächlich über 700.000 Menschen betroffen waren. Mit sogenannten Konversionstherapien sollen Schwule und Lesben von ihrer Homosexualität „geheilt“ werden. Religiöse Fanatiker stecken hinter diesem menschenverachtenden System. Der junge Garrard Conley hat seine bitteren Erfahrungen dieser Gehirnwäsche in einem aufsehenerregenden Roman verarbeitet, der als Vorlage für dieses Drama dient.

Jared ist ein ganz normaler Teenager. Vielleicht ein wenig sensibler und allemal religiöser als andere. Sein Vater Marshall (Russell Crowe), ein Autohändler und Baptisten-Prediger, reagiert stolz als der Sohn ein Date mit einem hübschen Mädchen hat. Mutter Nancy (Nicole Kidman) bleibt stets ein bisschen besorgt, selbst den Arm soll das einzige Kind nicht aus dem Autofenster lehnen, weil das gefährlich sein könnte. Dann stürzt die heile Familienwelt in der Südstaaten-Provinz plötzlich in eine schwere Krise. Die Schulleitung wirft Jared vor, er habe am College einen Mitschüler verführt. Die Eltern reagieren schockiert. Der Teenager bestreitet den Vorfall. Für den Vater gibt es nur einen Ausweg: Mit Konversionstherapie soll der Sohn von seiner Homosexualität „geheilt“ werden. „Willst du dich aus tiefstem Herzen ändern?“ fragt der besorgte Prediger. Verwirrt über die eigenen Gefühle stimmt Jared dem Plan zu und reist mit der Mutter in das Umerziehungscamp. „Schwul geboren ist eine Lüge!“ wettert Kursleiter Viktor Sykes (gespielt von Regisseur Joel Edgerton), der mit Beschimpfungen und Demütigungen ein Klima ständiger Angst schafft und auch vor körperlichen Misshandlungen nicht zurückschreckt. „Fake it until you make it!” rät ein Leidensgenosse dem Neuen. Nur nicht auffallen und klaglos alles mitmachen.

Nach seinem gekonnten Regiedebüt mit „The Gift“ beweist Schauspieler Joel Edgerton abermals ein talentiertes Händchen beim Inszenieren von bewegenden Gefühlswelten, die ohne Kitsch und Klischees auskommen. Mit Crowe und Kidman versammelt der Australier zwei leinwandpräsente Stars seiner Heimat, die als religiöses Ehepaar erneut Oscar-Qualitäten bieten und mit minimalen Gesten für maximale Wirkung sorgen.

Als Idealbesetzung erweist sich der 21-jährige Lucas Hedges, der im Vorjahr für „Manchester by the Sea“ eine Oscar-Nominierung bekam und zuletzt in „Three Billboards Outside Ebbing, Missouri“ glänzte. Er gibt als verunsicherter Teenager eine grandiose Vorstellung, deren Wahrhaftigkeit unter die Haut geht. Die scheinbare Mühelosigkeit, mit der er die Balance aus Idealismus, Wut, Ohnmacht, Ratlosigkeit und Rebellion meistert, hat Klassiker-Qualitäten.