Die MisswahlDer Beginn einer Revolution

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Die Misswahl - 2019 Filmposter
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Es ist gerade mal 50 Jahre her, dass die Frauenbewegung richtig in Bewegung kam. Geändert hat sich seitdem einiges, aber längst nicht alles, woran Philippa Lowthorpes Film auch am Ende erinnert. Er erzählt von der „Miss World“-Wahl im Jahr 1970, die nicht nur für die Frauenbewegung ein wichtiger Moment war, sondern auch erstmals das gängige Schönheitsbild erschütterte.

Der alljährliche „Miss World“-Wettbewerb steht im London des Jahres 1970 an. Sally Alexander (Keira Knightley) möchte als Frau nicht limitierter sein, als ein Mann, muss aber erkennen, dass man ihr in einem patriarchalen System nur wenig Chancen einräumt. Da lernt sie andere Frauen kennen, die sich für die Frauenbewegung einsetzen. Schon bald ist ein offenkundiges Symbol der systeminhärenten Herabsetzung der Frau gefunden – der Schönheitswettbewerb, der von Komiker Bob Hope moderiert und von 100 Millionen Menschen in der Welt gesehen wird. Dort wollen Sally und ihre Freundinnen ein Zeichen setzen.

Der Film funktioniert auch als Geschichtsstunde, ohne jedoch belehrend zu wirken. Vielmehr ist er engagiert und versessen darauf, zu zeigen, wie es war. Zu zeigen, wie das Mann-Frau-Gefälle zu Beginn der 1970er Jahre aussah, als Sally Alexanders Mutter noch das Einverständnis ihres Mannes benötigte, um ein eigenes Konto bei der Bank eröffnen zu können. Einer simplen Schwarzweißzeichnung verweigert sich DIE MISSWAHL, weil das Rollenverhältnis bei Sallys Eltern nicht ganz so ist, wie man das erwartet. Der Vater kocht, die Mutter ist dennoch die Hausfrau – sie entsprechen beide dem Klischee und dann auch wieder nicht. Das sind nur kurze Szenen, die Einblick in das Familienleben geben, aber wichtige, weil sie die Komplexität desselben sehr schön zur Geltung bringen.

Andere Kontraste gibt es mit Sally als Frau, die versucht, ihren Weg zu gehen, ohne anzuecken, sich dann aber eines Besseren besinnt, und Bob Hope, der als Komiker geliebt wurde, aber auch seine dunklen Seiten hatte. Im Grunde wäre die Konzentration auf Hope in dem Film gar nicht so wichtig gewesen, aber sein Familienleben zu zeigen, unterstreicht auch, woher er kommt. Er sieht sich nicht auf der falschen Seite,  frauenverachtende Witze baut er in seiner Show aber dennoch ein. Greg Kinnear, der Hope trotz der falschen Nase nicht wirklich ähnlich sieht, verkörpert wie Rhys Ifans als Veranstalter das Patriarchat, das gar nicht verstehen kann, was am gegenwärtigen System so schlecht sein soll.

Der Film hat authentisches Flair: Kleidung, Frisuren und die Dekors sind perfekt auf das Jahr 1970 abgestimmt. Zugleich ist er clever gestrickt und intelligent erzählt, weil er keinen Aspekt dieser Show außer Acht lässt. Man hätte sich auf die Geschichte von Sally und ihren Mitstreitern konzentrieren können, aber ebenso wichtig ist, wie der Triumph der Gewinnerin dieses Wettbewerbs ein Signal sandte – dass über alle kulturellen Unterschiede hinaus ging. Dies war eine frühe Form der Diversität, die auch half, Dinge zu verändern. Weil Sichtbarkeit ein wichtiger Anstoß für Veränderung ist. DIE MISSWAHL ist packendes, lebendiges, gefühlvolles, echtes Erzählkino, das von einem Moment der jüngeren Historie berichtet, der etwas anstieß. Beendet ist der Prozess aber noch lange nicht.