Gelobt sei Gott

Silberner Bär, Berlinale 2019

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Gelobt sei Gott - 2018 Filmposter
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Dem Thema Kindesmissbrauch in der katholischen Kirche widmet Francois Ozon seinen Film „Grace a Dieu“, der auf der Berlinale in diesem Jahr zu den Höhepunkten gehörte und mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde. Im Gegensatz zum packenden Journalisten-Thriller „Spotlight“ nähert er sich dem Sujet aus der Sicht der Opfer. Er zeigt nicht nur ihren solidarischen Kampf gegen die Vertuschungsversuche der Kirche, sondern vor allem auch ihr Bemühen, die eigenen Traumata zu überwinden. Das emotional aufwühlende Drama beruht auf einem authentischen Fall, der erst in diesem Jahr vor Gericht verhandelt wurde.

Alles nimmt seinen Anfang, als Alexandre per Zufall erfährt, dass der Priester, der ihn in seiner Zeit als Pfadfinder in den achtziger Jahren missbraucht hat, immer noch mit Kindern arbeitet. Der in gutbürgerlichen Verhältnissen lebende Geschäftsmann und mehrfacher Familienvater, immer noch gläubiger Katholik und in der Kirche verwurzelt, kann es nicht fassen und wendet sich an seine Diözese. Zwar kommt er dort nicht weiter, doch trifft er bei seinen Ermittlungen auf weitere Opfer des Priesters. Gemeinsam mit Francois und Emmanuel nimmt er den Kampf auf. Er erstattet Anzeige bei der Polizei, gemeinsam gründen sie die Selbsthilfegruppe La Parole Libérée (deutsch: Das befreite Wort), womit die Angelegenheit allmählich Fahrt aufnimmt, weil sich immer mehr Betroffene melden. Nach und nach zeigt sich aber auch, dass nicht nur die jeweiligen Opfer betroffen sind, sondern auch deren Angehörige.

Ozon entwickelt aus seinem sehr persönlichen Ansatz eine ungeheure Kraft, die den Zuschauer mitreißt. Gerade die Tatsache, dass er durch die Unterschiedlichkeit seiner Protagonisten ein weites gesellschaftliches Spektrum mit einbezieht, macht sein Werk vielschichtig. So ist etwa Francois im Gegensatz zum diplomatischen bürgerlichen Alexandre ein linksliberaler Atheist, der lautstark zum Protest gegen das Kirchen-Establishment auffordert und vor keiner medienwirksamen Aktion zurückschreckt. So schwebt ihm etwa vor, einen aufblasbaren Riesenpenis über der Kathedrale von Lyon schweben zu lassen. Emmanuel, der dritte im Bunde und eigentlich hochbegabt, wurde durch den Missbrauch am meisten aus der Bahn geworfen, bekommt sein Leben einfach nicht in den Griff. Erst sein Mitwirken in der Selbsthilfegruppe gibt ihm Halt und seinem Leben einen neuen Sinn.

So unterschiedlich die Herkunft der Betroffenen ist, so verschieden sind auch die Reaktionen ihres Umfeldes, besonders ihrer Mütter. Obwohl alle von den Missbräuchen in der einen oder anderen Form wussten und ein schlechtes Gewissen haben, sind ihre Reaktionen sehr unterschiedlich. So leugnet Alexandres Mutter den Missbrauch noch heute und kehrt den Spieß um, beschuldigt ihren Sohn, den Priester zu verleumden. Eine andere Mutter unterstützt ihren Sohn liebevoll, eine weitere tut sich schwer damit, durchläuft aber einen Erkenntnisprozess und unterstützt ihren Sohn später umso intensiver. Viele Eltern sind so eng mit der Kirche verbunden, Priester sind für sie Respektspersonen, denen sie die Taten nicht zutrauen und wenn doch, dies verleugnen, damit das System Kirche erhalten bleibt, bzw. ihr eigenes Weltbild nicht zusammenbricht.

Im März wurde der Lyoner Kardinal Philippe Barbarin, dessen Fall dem Film zugrunde liegt, wegen Vertuschung sexuellen Missbrauch zu sechs Monaten Haft zur Bewährung verurteilt, der Prozess für Pater Bernard Preynat, dem sexueller Missbrauch in rund 80 Fällen vorgeworfen wird, steht noch aus. Doch, „gelobt sei Gott“, wie Barbarin es selbst formulierte, sind die meisten Fälle inzwischen verjährt.