Human Flow

Venedig 2017

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Human Flow 2017 Filmposter

"Human Flow" ist auch online verfügbar.

Schau dir den Film bequem von Zuhause aus an.

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Mit seinem Reenactment des Fotos von Aylan Kurdi hat der chinesische Konzeptkünstler Ai Weiwei bereits ein engagiertes, wenn auch nicht unumstrittenes Zeichen der Solidarität mit Geflüchteten gesetzt. Sein neuer Film, der im Wettbewerb der Filmfestspiele von Venedig präsentiert wurde, geht jedoch darüber hinaus: Als vielschichtiger visueller Essay folgt er den Strömen der globalen Migration und formuliert durch die geschaffenen Bilder eine Forderung für ein neues politisches Bewusstsein.

Ai Weiwei ist sich, als markterprobter Künstler, dessen bewusst, wie sehr ein direktes politisches Engagement dem Image schaden kann — und er tut es trotzdem. Dabei steht er auch mit der Präsenz seines markanten Körpers ein, bleibt niemals außen vor. Das als bloße Selbstinszenierung aufzufassen, verfehlt den Punkt. Denn gerade medienwirksame Aktionen wie das nachgestellte Foto des toten Jungen am Strand sorgen letztlich für eine Debatte, die wieder über Fragen der Darstellbarkeit nachdenkt, und in ihrer schmerzhaften Direktheit zum Handeln aufruft. Es waren die Nachwirkungen dieser Fotografie, die den britischen Premier Cameron schließlich dazu veranlassten, mehr Geflüchtete im Commonwealth aufzunehmen. Insofern stehen auch Ai Weiweis Beiträge zur Frage der „Flüchtlingskrise“ in der Tradition des berühmten Essays „Das Leiden der Anderen betrachten“ von Susan Sonntag, die schreibt: „Das Bild sagt: Setz dem ein Ende, interveniere, handle. Und dies ist die entscheidende, die korrekte Reaktion.“

In seinem neuen und groß angelegten Film „Human Flow“ findet sich eine unmittelbare Fortsetzung dieser Philosophie. Ai Weiwei ist unterwegs mit Menschen auf der Flucht, in Europa, im Borderland Mexicos, aber auch in Myanmar, das in den letzten Monaten durch den Genozid an den Rohingya wieder in traurige Schlagzeilen geriet. Mit einem großen Kamerateam, das beispielsweise auch DOP-Legende Christopher Doyle einschließt, dokumentiert er ein Geschehen, das wir gerade erst als historischen Wendepunkt zu begreifen beginnen und akkumuliert eine Fülle an Material, das Zeugnischarakter hat.

Dabei verwendet er unterschiedliche Medien, filmt mit dem Smartphone ebenso wie hochauflösenden Geräten. Besonders eindrucksvoll sind dabei einige Drohnenaufnahmen von Lagern gelungen, deren abstrakte Schönheit an Gurski Bilder erinnern. Beim näheren Hinsehen bilden sie erschreckende Formationen eines neuen „Lebensmodells“ – des Nomadischen. „Human Flow“ zeigt die vielfältigen Ursachen globaler Migration als Konsequenz von gewaltsamer Vertreibung, zunehmender ökonomischer Not und Umweltveränderungen. Dabei collagiert er das Material zusammen mit eingeblendeten Zitaten von arabischen Dichtern und Philosophen sowie Nachrichtenschlagzeilen aus den europäischen Medienpools.

Was zunächst disparat erschien, erweist sich nach und nach als einzig angemessene ästhetische Strategie, diese globalen Bewegungen in einem Film zusammen zu bringen. Ai Weiwei subsummiert seine Aufnahmen nicht einfach unter ein Konzept oder eine bestimmte Botschaft, sondern er lässt beides aus dem Material selbst auftauchen.

Und auch wenn uns als Zuschauer seine Interaktion mit den Menschen manchmal fragwürdig erscheint, so sehr brauchen wir vielleicht doch auch einen Körper, der zeigt, dass er vor Ort ist, und uns zu verstehen gibt, dass wir nicht nur im Kino sitzen, sondern gerade Zeugen geworden sind.

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