Je suis Karl

Berlinale Special Gala 2021

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Je suis Karl - 2021
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Hat sich gerade Julia von Heinz mit UND MORGEN DIE GANZE WELT um eine realistische Beschreibung der heutigen Antifa-Szene bemüht, so ist Christian Schwochows JE SUIS KARL da fiktionaler, nicht so klar verortet und dennoch aktuell und brisant. Er zeichnet das Bild einer Protestbewegung, deren Triebfeder eine allgemeine Unzufriedenheit ist, die insbesondere junge Leute auf die Straße treibt.

So auch Maxi, die gerade ihre Mutter, die beiden Brüder und ihr Zuhause verloren hat, bei einem Bombenanschlag mitten in Berlin. Sie ist traurig und verunsichert, schaut aber dennoch nach vorne, sucht nach Antworten. Ihrem traumatisierten Vater, der die Paketbom Familiäre, alles Gewohnte nicht mehr zu funktionieren scheint und die Trauer jeden Lichtblick verdunkelt. In diesem Zustand trifft sie in der Uni auf Karl, er hört ihr zu, nimmt ihre Ängste ernst und fordert sie auf, sie zu besiegen. Er hat ein Treffen europäischer Student*innen organisiert, gemeinsam suchen sie nach Wegen aus der Katastrophe, nicht nur der privaten, auch der globalen. In Kolloquien, Seminaren, Podiumsdiskussionen, aber auch mit künstlerischen Auftritten, Konzerten und Performances machen die Jugendlichen ihrem Ärger Luft und mit Maxi hat er etwas ganz Besonderes vor…

Karl, ist einer der führenden Köpfe dieser Gruppe, die das Schicksal und die Ängste junger Leute geschickt für ihre Sache auszunutzen weiß. Was das für eine Sache ist, bleibt lange unklar. Obwohl sich die Gruppe verständnisvoll, offen und basisdemokratisch gibt, will man ihr nicht vertrauen, zu charismatisch ihre Führer, zu berechnend ihr Mitgefühl und zu überwältigend der Zulauf an jungen Leuten. Erst wenn Schwochow die Machtstrukturen hinter der Bewegung auflegt, wird Altbekanntes offenbar. Hinter dieser Jugendbewegung ziehen nur einige wenige die Strippen, erlangen Macht über die Gedanken junger Leute quer durch Europa.
Zwischen Familiendrama und Gesellschaftsstudie zeigt Schwochow subtil die Entwicklung dieser Jugendbewegung und verknüpft dabei das fiktionale Szenario mit dem Geist einer Realität, die wir alle kennen. Am Ende kann man die Bewegung kaum mehr von den Rechtspopulisten oder ähnlichen Gruppierungen unterscheiden. JE SUIS KARL erzählt die Geschichte der Rechten auf eine andere Art, quasi in schön”, meint Christian Schwochow. ”Wir zeigen die Szene mit ihren eindeutig menschenverachtenden Parolen und Umsturz-Fantasien in völlig neuem Look, mit moderner Symbolik, feschen Slogans und verwirrenden Begrifflichkeiten, die ihre Absichten verschleiern. Plötzlich gibt es junge, attraktive, schlaue Rechte, die mehrere Sprachen sprechen, vielleicht in Oxford studiert haben und ihre Ideologie als modernen patriotischen Lifestyle anbieten.”

Die Unzufriedenheit und der Frust der jungen Leute wird hier in eine neue Energie umwandelt. Egal ob in künstlerische oder geistige Energie, alle Agitationen münden letztendlich in einer Gewalt-Kaskade, die nur einigen wenigen nützt. Schwochows Film ist knallbunt, laut, manchmal zu stylisch, aber ungeheuer komplex. Er ist wahres Kintopp, und wenn er sein Thema auch bei weitem nicht erschöpfend behandelt, ist er doch starke Grundlage für viele Gespräche und Diskussionen.

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