Meine schöne innere Sonne

Cannes 2017

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Meine schöne innere Sonne 2017 Filmposter
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Eine romantische Komödie von Claire Denis, der Regisseurin von harten, auch harschen Filmen wie „Beau Travail“ oder zuletzt „Les Salauds – Dreckskerle“, war nicht zu erwarten. Und ihr jüngster, in Cannes ausgezeichneter Film „Meine schöne innere Sonne“ ist auch nur auf den ersten Blick eine Komödie, denn unter der Oberfläche lässt Denis kaum ein gutes Haar an den zahlreichen Männern, mit denen sie ihre brillante Hauptdarstellerin Juliette Binoche konfrontiert.

Isabelle (Juliette Binoche) ist Künstlerin, geschieden, Mitte/ Ende 40 und Single. Ob sie noch einmal nach der großen Liebe suchen soll, ob man überhaupt nach der großen Liebe suchen sollte, sind die Fragen, die sie umtreiben. Sie hat Affären mit einem selbstgefälligen Banker (Xavier Beauvois), einem etwas verwirrten Schauspieler (Nicolas Duvauchelle), einem sensiblen Künstler (Alex Descas) und einem Mann aus der Arbeiterklasse (Paul Blain), doch wirklich warm wird sie mit keinem dieser Männer. Woran liegt es, dass sie sich nicht wirklich öffnen kann, nie ganz zufrieden mit dem jeweiligen Liebhaber ist? An ihr selbst, an den gesellschaftlichen Konventionen oder doch einfach an der Spezies mit dem Phallus?

Schon die erste Szene ist bezeichnend: Ein Mann müht sich da auf der von Juliette Binoche gespielten Isabelle ab – das Paar hat Sex (im weitesten Sinne, denn dieser Akt wirkt mühsam, nicht gerade lustvoll). Nicht minder verkrampft ist das postkoitale Gespräch, der Versuch des Mannes, bestätigt zu bekommen, dass er nichts falsch gemacht hat, die Bemühungen der Frau, ihn nicht in seiner Männlichkeit zu verletzen. Aber warum eigentlich nicht? Warum fällt es dieser Frau, dieser autarken, eigentlich selbstbewussten, auch erfolgreichen Künstlerin, wie wir sie im Laufe des Films kennen lernen werden, in diesem Moment so schwer, dem Mann zu sagen, dass er ein schlechter Liebhaber ist? Fragen des Zwischenmenschlichen, des Verhältnisses von Männern und Frauen stellt Claire Denis in ihrem Film, der lose auf Roland Barthes „Fragmente einer Sprache der Liebe“ basiert. Diverse Liebhaber hat Isabelle im Lauf der 100 Minuten, probiert in gewisser Weise unterschiedliche Typen aus: Den Arroganten, den Sensiblen, den Fürsorglichen, den Bodenständigen – und ist dabei stets auf der Suche nach etwas Echtem, etwas Wahrem. Alle Männer haben etwas für sich, haben aber auch ihre Macken, die manchmal nur im gesellschaftlichen Blick existieren. Als Isabelle etwa mit einem Mann aus der Arbeiterklasse anbändelt, wird sie bald von einem Galeristen gefragt, ob sie denn überhaupt ein Gesprächsthema hätten? Durchaus, antwortet Isabelle, aber man merkt, dass das nicht die ganze Wahrheit ist, dass ihr Bekannter, der ihr ebenfalls den Hof macht, durchaus Recht mit seiner eigennützigen Bemerkung hat. Man darf diesen Film durchaus autobiographisch verstehen, als Reflexion einer Regisseurin, die im Laufe ihrer 71 Jahre viel erlebt, viel gelebt hat. In Juliette Binoche hat sie ein ideales Alter Ego gefunden, die hier eine bemerkenswert natürliche Darstellung abliefert, frei von der Affektiertheit, vielleicht auch befreit von den Zwängen eines narrativen Konstrukts, ganz offen und auch ungeschützt. Zusammen stellen Binoche und Denis grundlegende Fragen über das Verhältnis von Frauen und Männern in unserer Zeit, über Klischees, Konventionen und den schwierigen Versuch, aus bekannten, auch überkommenen Mustern auszubrechen.

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