Transit

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Transit 2017 Filmposter
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Nach zwei Filmen, die in der Vergangenheit spielten, kehrt Christian Petzold mit „Transit“ in die Gegenwart zurück. In gewisser Weise, denn der ebenso brillante wie einfache Kniff des Flüchtlings-Melodram, das im Wettbewerb der Berlinale seine Weltpremiere erlebte, verfilmt sehr werkgetreu Anna Seghers Roman von 1942, lässt ihn aber in einer Welt spielen, die wie die Gegenwart aussieht, aber vor allem zeitlos ist.

In Paris findet der Flüchtling Georg (Franz Rogowski) keinen Unterschlupf, bald muss er vor den anrückenden deutschen Truppen nach Marseille fliehen, doch zuvor will er einem Freund einen Gefallen tun. Er soll dem Schriftsteller Weidel einen Brief überbringen – doch in dessen
Hotelzimmer muss er feststellen, dass der Autor sich das Leben genommen hat. Kurzentschlossen nimmt Georg dessen Papiere an sich, ein Romanfragment, vor allem aber ein Transitvisum nach Mexiko und schlägt sich nach Marseille durch.

Im mexikanischen Konsulat will er die Papiere abgeben und findet sich plötzlich, fast ohne eigenes dazutun, in der Rolle Weidels wieder, mit einem Visum und einer Schiffspassage, fast gerettet. Doch immer wieder läuft ihm in Marseille eine schöne, junge Frau über den Weg, die sich bald als Marie (Paula Beer) herausstellt, Weidels Frau, genauer gesagt seine Witwe, doch vom Tod ihres Mannes ahnt sie nichts. Denn nun taucht Georg als Weidel immer wieder auf Ämtern auf, bekommt Marie Nachricht, dass ihr Mann, den sie in Paris verlassen hatte, vor Ort sei. Gleichzeitig mit der Hoffnung auf die Rückkehr ihres Mannes, nähert sich Marie aber auch Georg an, der längst dem mysteriösen Charme Maries verfallen ist.

Wie ein klassisches Melodram liest sich die Handlung für den achten Kinofilm von Christian Petzold, den vierten, der im Wettbewerb der Berlinale debütierte. Ein guter Platz für einen Film, der es schafft, sich mit der aktuellen Flüchtlingsdebatte zu beschäftigen, ohne auch nur im Ansatz didaktisch oder ideologisch zu werden. Dieses Kunststück gelingt Petzold mit dem ebenso einfachen wie brillanten Kniff, den Roman Seghers gleichzeitig ganz werkgetreu zu verfilmen, ihn aber in einer Welt spielen zu lassen, die wie die Gegenwart wirkt. Von ständig vorrückenden deutschen Truppen ist immer wieder die Rede, dem Vélodrom in Paris, das den deutschen Besatzern als Sammellager für die jüdische Bevölkerung diente, von Transitvisa so als wäre man in „Casablanca“, ein Pass ist zu sehen, auf dem Deutsches Reich steht – auf dem aber auch exakt der Adler zu sehen ist, der auf dem bundesdeutschen Ausweispapier prangt. Immer wieder streut Petzold solche Irritationen ein, zeigt konsequent keine Handys oder Fernseher, aber modern gekleidete Polizisten in Kampfmontur, die auf den Straßen Marseilles nach gesuchten Elementen, nach Flüchtlingen Jagd machen.

Unheimlich genau beschreiben Seghers vor 75 Jahren geschriebene Worte die Gegenwart Europas, in der zwar kein faschistisches Regime auf dem Kontinent für Angst und Schrecken sorgt, die Angst vor Flüchtlingen aber vielerorts ähnliche Ausmaße angenommen zu haben scheint. Lieber nicht hingeguckt wird da, wenn ein Flüchtling ausgewiesen wird, lieber weg gehört bei neuen Meldungen von gesunkenen Booten im Mittelmeer. Desinteresse und Passivität ist die größte Schuld, eine Haltung, die auch Georg in den emotionalen Strudel führt.

Mit Franz Rogowski hat Petzold einen idealen Hauptdarsteller für die passive, fast verschüchterte Hauptfigur gefunden, die lange nur Beobachter des eigenen Schicksals ist. Erst als er im mexikanischen Konsulat auf die Frage, ob er Weidel sei, Ja sagt, ist er für einen Moment aktiv und leitet dadurch die Kette von Ereignissen ein, die ihn bis zum Ende des Films – und vermutlich darüber hinaus – nicht loslassen werden.

Dominierte die Flüchtlingsthematik noch die erste Hälfte von „Transit“, wird die zweite von vielen der Themen bestimmt, die Petzold schon seit langem umtreiben: Geistererscheinungen, vertauschte Identitäten und der Suche nach Liebe. Einerseits ein typischer Petzold, ist „Transit“ doch eine ungewöhnliche, aber doch konsequente Weiterentwicklung im Werk eines der seit Jahren spannendsten deutschen Regisseure.

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