Und wer nimmt den Hund?

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Das Komödien-Subgenre des Streitfilms erhält prominenten Zuwachs: Für „Und wer nimmt den Hund?“ schickt Regisseur Rainer Kaufmann das von Martina Gedeck und Ulrich Tukur gespielte Ehepaar Lehnert in die Paartherapie. Und obwohl die beiden darin ihre bevorstehende Scheidung verhandeln, ist diese ganz schön komisch - vor allem für uns Zuschauer.

Das kommt in den besten Familien vor: Mitten in seiner Midlife-Crisis hat sich Georg (Ulrich Tukur) in seine wesentlich jüngere Arbeitskollegin Laura (Lucie Heinze) verliebt. Für Georgs Frau Doris (Martina Gedeck) bricht erst eine Welt zusammen, bevor sie ihren Noch-Ehemann zur Paartherapeutin schleppt. Bei der geduldigen Frau Dr. Bruhns (Angelika Thomas) kommen all die unausgesprochenen Ängste und Sehnsüchte der letzten Jahre auf den Tisch. Vor allem aber jede Menge Aggression. Während sich die zukünftig geschiedenen Eheleute krampfhaft um Konversation bemühen und ihre Auffassung der gemeinsamen Vergangenheit unterschiedlicher kaum sein könnte, gehen ihre Leben getrennt voneinander weiter. Dabei merkt Georg langsam, aber sicher, dass so eine dreißig Jahre jüngere Freundin ganz andere Ansprüche hat, als seine gleichaltrige Ehefrau. Und Doris beginnt den Neuanfang kreativ zu nutzen und sich selbstständig zu machen. Doch für beide fangen die Probleme damit erst an…

Kleines Setting, große Emotionen: Das Genre der Streitkomödie hat in den vergangenen Jahren einige starke und vor allem lustige Filme hervorgebracht. Die Franzosen („Der Vorname“) können das dabei genauso gut wie die Deutschen („Frau Müller muss weg“) oder die Amerikaner („Der Gott des Gemetzels“) und der Produktionsaufwand ist in Anbetracht der begrenzten Drehbedingungen gering. Regisseur Rainer Kaufmann und sein Autor Martin Rauhaus brechen inszenatorisch hin und wieder aus diesem engen Korsett aus, um ihre Geschichte von einer aus dem Ruder geratenen Paartherapie mit Aufnahmen aus dem Lebensumfeld der beiden Protagonisten anzureichern. Der emotionale Kern liegt allerdings im Gespräch mit der Therapeutin verborgen, wodurch sich ein schönes Wechselspiel aus mit Hysterie kokettierender Comedy und melancholischem Drama über verpasste Chancen und Mittlebenskrisen entwickelt.

„Und wer nimmt den Hund?“ ist selbstreferenziell und spielt gehörig mit seiner Meta-Ebene, wenn aus den starken Dialogen mehrmals hervorgeht, dass die Figuren ganz genau um ihre klischeehafte Situation wissen. Dazwischen hauen sich Tukur und Gedeck die Vorwürfe und Anfeindungen nur so um die Ohren: Sie, die gehörnte Ehefrau, er der verzweifelte Gatte, der eigenen Angaben zufolge ja immer so viel einstecken musste, und sich nun wenigstens eine junge Geliebte gönnen dürfen sollte – man muss nicht selbst in der Situation gewesen sein, um emotional bei den beiden anzudocken und sich immer wieder dabei zu erwischen, wie man mal die Argumente des Einen, mal die des Anderen nachvollziehen kann. Doch „Und wer nimmt den Hund?“ funktioniert auch über eine andere Ebene – und erst durch die gewinnt der Film an Herz und Seele, denn so gut die Gags und so gewitzt die Dialoge auch sein mögen, so tragisch ist ja letztlich der Umstand, dass hier gerade ein 26 Jahre lang (vermeintlich) glücklich verheiratetes Paar vor den Scherben seiner Ehe steht. Diese Tatsache entfaltet der Autor Martin Rauhaus mit genauso viel Sensibilität wie das amüsante Drumherum. So ist „Und wer nimmt den Hund?“ ein weiterer Beweis dafür, dass deutsche Filmemacher auch richtig komisch sein können.