Gildepreis für den Besten Deutschen Film an Mittagsstunde

Gilde-Filmpreis für „Mittagsstunde“ Lars Jessens „Mittagsstunde“ wurde am Freitag, 16. September, im Rahmen der Gilde-Filmpreisverleihung der Filmkunstmesse Leipzig mit dem Preis als bester deutscher Film ausgezeichnet. Der Gilde-Filmpreis wird seit 1977 von der Gilde deutscher Filmkunsttheater an die besten Arthaus-Filme verliehen. Die Laudatio hielt Jurmitglied Kalle Somnitz von den Düsseldorfer Filmkunstkinos. Es handelt sich um eine Adaption des gleichnamigen Bestsellers von Dörte Hansen. Darin wird der Wandel und Verfall eines norddeutschen Dorfes am Beispiel einer Familiengeschichte aufgezeigt. Die Hauptrolle spielt Charly Hübner. Der Film läuft zurzeit bei uns im Cinema in der Schneider-Wibbel-Gasse, jeweils um 19 Uhr und um 21.30 Uhr.

Hier die Laudatio von Kalle Somnitz:

Wir kommen nun zum Preis für den Besten Deutschen Film, der in diesem Jahr genau wie im letzten an eine deutsche Romanverfilmung (Schachnovelle) geht. Und wie im letzten Jahr war der Film noch gar nicht so recht in unseren Kinos zu sehen, sondern startet genau heute Abend.
Es ist ein Film von einem Regisseur, den man aufgrund seiner ausnehmend freundlichen Art und seiner norddeutschen Zurückhaltung gerne mal übersieht. So ging es mir zumindest bei seinem ersten Kinofilm: AM TAG ALS BOBBY EWING STARB. Von dem hatte ich damals noch gar nichts gehört, als er am Wochenende vor Start in einer Nachrichtensendung im Fernsehen vorgestellt wurde. Die dort zu sehenden Ausschnitte waren so verstörend und witzig und gleichzeitig so anders, dass ich den Film gleich am nächsten Tag disponierte und offensichtlich hatten die Zuschauer auch diese Ausschnitte gesehen, denn sie kamen in Scharen ins Kino und ein kleiner Sommerhit war geboren.

Leider liegt der Schwerpunkt des Regisseurs eher beim Fernsehen, doch seine gelegentlichen Auftritte im Kino waren immer Überraschungen. Oft drehten sie sich um eine Kindheit in Norddeutschland. So verarbeitete er in BOBBY EWING seine eigenen Erinnerungen, als er mit seiner Mutter in einer Wohngemeinschaft in der Nähe von Brokdorf aufwuchs.
Mit DORFPUNKS verfilmte er das Buch seines Freundes Rocko Schamoni, der darin wiederum seine Kindheitserinnerungen festhielt. Ihre gemeinsame Liebe zur Musik gipfelte in dem Mockumentary FRAKTUS, mit der er 2012 einmal mehr die Kinoszene überraschte.
Das ist schon zehn Jahre her, und nun gelingt es ihm, seine zweite Vorliebe für Literatur – er verfilmte 2008 Theodor Storms SCHIMMELREITER – mit seinen typisch norddeutschen Jugendgeschichten zu verbinden.

Nach dem Bestseller von Dörte Hansen und mit Unterstützung eines großartigen Charly Hübner in der Hauptrolle, erzählt er von einem Dozenten an der Uni Kiel. Dieser hatte damals sein Dorf verlassen, um an der Hochschule Karriere zu machen. Doch jetzt plagt ihn ein schlechtes Gewissen, seine Eltern gehen auf ihre Gnadenhochzeit zu und sind schon reichlich tüddelig. Er fährt also zurück in sein Heimatdorf irgendwo im nordfriesischen Nirgendwo, um nach dem Rechten zu schauen. Doch sein Trip zurück in die eigene Kindheit ist nicht nur eine Familiengeschichte, sondern auch die Beschreibung des Zerfalls einer Dorfkultur und ein großartiges Porträt der Menschen, die hier leben.

Mit leiser Melancholie und viel Einfühlungsvermögen bringt er uns das Naturell dieses Menschenschlags näher. Dabei sind Detailgenauigkeit, Sprache aber auch Sprachlosigkeit seine Hilfsmittel, mit der er eine größtmögliche Authentizität erreicht und diesem Typ Mensch im Kino ein Denkmal setzt.

Die Jury hofft, dass Filme dieses Formats mit ihrer unverwechselbaren Handschrift und ihrer emotionalen Größe das Publikum auch wieder zurück in die Programmkinos bringen wird und der Filmkunst wieder den Stellenwert erkämpft, der ihr zusteht.

Der Gildepreis für den Besten Deutschen Film geht an MITTAGSSTUNDE von Lars Jessen.