Filmfest Venedig 2023 – Ein Vorbericht

Filmfest Venedig 2023
Ein Vorbericht von Kalle Somnitz

Filmfest Venedig 2023

Zunächst sah es so aus, als ob der Streik der Drehbuchautoren und Schauspieler in Hollywood das diesjährige Festival in Venedig hart treffen könnte. Für den Fall, dass die Filmschaffenden aus Übersee nicht anreisen dürfen, hatte Festivalleiter Alberto Barbera bereits einen Plan B mit einem europäischen Schwerpunkt in der Tasche. Doch den musste er gar nicht ziehen, denn schon eine Woche später war klar, dass all seine Programmideen realisierbar waren und er nur auf einen Film verzichten musste. Der allerdings tut weh, denn eigentlich sollte das Festival mit Luca Guadagninos CHALLENGERS eröffnen, doch MGM verschob den Film nach Ausbruch des Streiks panikartig in den April nächsten Jahres. Wer weiß, vielleicht taucht er dann im Programm der Berlinale auf, wo 2017 Guadagninos Erfolgssträhne mit CALL ME BY YOUR NAME begann.

Sicherlich wird in diesem Jahr der ein oder andere Star fehlen, trotzdem hat Barbera ein Line Up zusammengestellt, das sich sehen lassen kann. Dabei ignoriert er wie immer alle Selbstbeschränkungen unserer Zeit, zeigt im Gegensatz zu Cannes Netflix-Produktionen, kümmert sich nicht um Gender-Quoten und folgt konsequent seiner Devise: “Mich schert nicht, wer den Film gemacht hat, sondern nur ob er gut ist!” So treibt das unwokeste Festival der Welt auch in diesem Jahr wieder den #MeToo-Aktivist*innen die Zornesröte ins Gesicht, denn mit Roman Polanski, Woody Allen und Luc Besson hat es gleich drei ihrer Erzfeinde an den Lido eingeladen. 

Polanskis THE PALACE spielt am Silvesterabend 1999 in einem luxuriösen Schweizer Hotel. Neben den Weltstars Mickey Rourke, John Cleese und Fanny Ardant ist auch das deutsche Talent Oliver Masucci mit von der Partie. Das Drehbuch hat Polanski selbst mit seinem Landsmann Jerzy Skolimowski und dessen Autorin Ewa Piaskowska (EO) geschrieben, es verspricht Polen Power pur.
Bei Woody Allens COUP DE CHANCE munkelt man hingegen, dass es sein letzter Film sein könnte, findet er doch immer schwieriger amerikanische Schauspieler und Finanziers, die mit ihm arbeiten wollen. Für seinen in Paris spielenden Beziehungs-Thriller konnte er mal wieder auf europäische Ressourcen zurückgreifen.
Luc Besson blickt in DOGMAN in spektakulär bebilderte Abgründe und findet dort Hoffnung, wo das Menschliche an seine Grenzen stößt. Dabei schickt er seinen Hauptdarsteller Caleb Landry Jones (THREE BILLBOARDS) auf einen wilden Trip in die Psyche eines Mannes, der durch die bedingungslose Liebe seiner Hunde dort aufgefangen wird, wo das Menschliche versagt. 

Mit phantastischen Bildern, die bereits als Trailer im Vorprogramm unserer Kinos zu sehen sind, punktet auch POOR THINGS des Griechen Yorgos Lanthimos, der sich für seine unglaubliche Geschichte aus dem fantastischen Reich des Dr. Frankenstein mit Emma Stone, Mark Ruffalo und Willem Dafoe jede Menge Hollywood-Power gesichert hat.
Weiterhin freuen wir uns auf das Biopic PRISCILLA, in dem Sofia Coppola, auf der Basis von Priscilla Presleys 1985 erschienenen Memoiren „Elvis and Me“, von der Beziehung zwischen dem von Jacob Elordi gespielten King of Rock’n’Roll und seiner Frau (Cailee Spaeny) erzählt. Die Schauspielrgewerkschaft hat gerade grünes Licht für ihren Besuch in Venedig gegeben.
Bradley Cooper begann seine Karriere als Regisseur mit A STAR IS BORN, der 2018 seine Weltpremiere in Venedig feierte und kehrt nun mit seiner dritten Regiearbeit zurück. In MAESTRO folgt er der komplexen Liebesgeschichte von Leonard Bernstein und Felicia Montealegre über 25 Jahre und spielt an der Seite von Carey Mulligan gleich selbst die Rolle des Maestros.

Mit Timm Krögers DIE THEORIE VON ALLEM ist erfreulicherweise auch mal wieder ein deutscher Film im Wettbewerb. Der Physiker Johannes Leinert (Jan Bülow) reist 1962 mit seinem Doktorvater (Hanns Zischler) zu einem physikalischen Kongress ins Hotel Esplanade in den Schweizer Alpen. Ein iranischer Wissenschaftler soll hier einen bahnbrechenden Vortrag zur Quantenmechanik halten. Doch der Redner, von dem nichts weniger als eine Theorie von Allem erwartet wird, verspätet sich und die illustre  Gesellschaft vertreibt sich mit geistreichen Dinnerpartys und eleganten Ski-Ausflügen die Zeit. Johannes gerät in den Bann einer geheimnisvollen Pianistin (Olivia Ross), merkt aber bald, dass mit ihr etwas nicht stimmt. Sie weiß Dinge über ihn, die sie gar nicht wissen kann. Und als einer der deutschen Physiker auf monströse Weise ermordet wird, ist sie spurlos verschwunden.

Das hört sich alles ziemlich spannend an und wir werden Anfang September im Blog von www.filmkunstkinos.de ausführlich berichten.