Als Hitler das rosa Kaninchen stahl

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Als Hitler das rosa Kaninchen stahl - 2019 Filmposter
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Mit der eindrucksvollen Adaption des autobiografischen Jugendromans und Weltbestsellers von Judith Kerr gelingt Oscar-Preisträgerin Caroline Link erneut großes Erzählkino. Einfühlsam zeichnet Deutschlands erfolgreichste Regisseurin ein realistisches Bild vom Leben jüdischer Flüchtlinge im Exil. Ihr Talent, kraftvolle melodramatische und poetische Sequenzen zu entwickeln, ohne dabei in Sentimentalität oder gar Kitsch abzugleiten, ist einmalig. Unterstützt von einer brillanten Schauspielerriege, angefangen von der Newcomerin Riva Krymalowski über Oliver Masucci bis hin zu Ursula Werner, entsteht eine dichte, warmherzige Inszenierung. Zudem prägt sich die atmosphärisch sehr überzeugende Bilderwelt ihrer exzellenten Kamerafrau Bella Halben ein.

Berlin 1933, kurz vor dem Wahlsieg der Nationalsozialisten. Außer Atem kommt die neunjährige Anna (Riva Krymalowski) zusammen mit ihrem Bruder Max (Marinus Hohmann) nachhause in die Villa am Grunewald. „Stell dir vor einige waren gar nicht verkleidet, die kamen als Nazis“, erzählt die neunjährige der Haushälterin Heimpi (Ursula Werner), die sich liebevoll um die Kinder kümmert, ganz empört. Die junge Mutter Dorothea (Carla Juri), eine bekannte Pianistin, ist gerade auf dem Weg ins Konzert. Oben im ersten Stock liegt Annas Vater Arthur Kemper (Oliver Masucci), ein berühmter Theaterkritiker und Schriftsteller, mit Grippe im Bett. Ein Anruf verändert alles. Ein Polizist warnt die Familie vor den Nazis. Am nächsten Morgen ist Papas Zimmer leer. Er ist verschwunden. Annas Vater, ein hellsichtiger Gegner Hitlers, ist bereits nach Prag gefahren. Trotz Fieber verließ er Berlin über Nacht. Im ganzen Haus werden nun eilig die Koffer gepackt. Hals über Kopf muss die jüdische Familie fliehen. Ein behütetes Dasein gerät erstmals aus den Fugen. Nur ein Plüschtier darf mit auf die Reise. Und so sitzt Anna ratlos auf dem Boden ihres Kinderzimmers. Was soll sie einpacken? Das alte rosa Plüschkaninchen, mit dem sie schon so oft gespielt hat oder den neuen Stoffhund Terri, ein Weihnachtsgeschenk. Schweren Herzens macht der Hund das Rennen. Der Abschied von der gutmütigen Haushälterin Heimpi fällt Anna besonders schwer. In der Schweiz will die Familie sich wieder treffen.

Die außergewöhnliche Qualität dieses bewegenden Familienfilms, nach dem gleichnamigen berühmten Jugendbuch von Judith Kerr, besteht in der unsentimentalen Genauigkeit mit der Oscar-Preisträgerin Carolin Link Annas Geschichte ernstnimmt. Die leidenschaftliche Autorenfilmerin bauscht sie nicht zu einem moralisierenden Drama auf. Dabei inszeniert die Wahlmünchnerin stilsicher und souverän Gefühle. Immer wieder verharrt die Kamera ruhig bei den Figuren, fängt subtile Mikro-Milieustudien ein. Und so erlebt der Zuschauer was die Vokabel Emigration bedeutet. Den Verlust einer Sprache, die Angst vor Armut, die Angst auch, vor dem Terror immer weiter fliehen zu müssen. In heutigen Zeiten ein eminent politischer Film. Und wer die wahre Geschichte über Abschied, familiären Zusammenhalt und Zuversicht sieht, wünscht Anna ihr in Berlin zurückgelassenes Plüschkaninchen auf jeden Fall zurück. Denn, last but not least, erobert Newcomerin Riva Krymalowski mit ihrem verblüffenden Talent sicher die Herzen.