VorschauSTART | 27.11.2025

Anemone

Festa del Cinema di Roma 2025

Infos Vorführungen

Anemone - 2025

Vorpremiere in OmU 

Informationen

2017 stand Daniel Day-Lewis zum letzten Mal vor der Kamera und verhalf der damals noch unbekannten Vicky Krieps zum Durchbruch, während er das Ende seiner Karriere verkündete. Nun ist aber doch noch einmal vor die Kamera getreten, ein Gefallen oder eine Starthilfe für seinen Sohn Ronan, der mit ANEMONE auf dem Filmfest New York sein Regie-Debüt feierte.

Daniel Day-Lewis spielt Ray Stoker, einen grüblerischen, schweigsamen Mann, der seit zwei Jahrzehnten im selbst auferlegten Exil in einer primitiven Hütte tief im Wald lebt. Er jagt, kocht auf dem Holzofen, wäscht seine Kleidung im Wasser eines nahegelegenen Flusses und läuft, um sich fit zu halten. Einziges Zeichen dafür, dass er diesen einsamen Ort zu einem Zuhause gemacht hat, ist ein Beet mit zarten weißen Blumen, die dem Film seinen Titel geben. 

Rays Einsamkeit wird durch die unerwartete Ankunft seines Bruders Jem (Sean Bean) gestört, den er nur beiläufig und quasi ohne Worte begrüßt. Während Ray jegliche Spiritualität verloren zu haben scheint, ist Jem ein tiefgläubiger Mann, der um Kraft für die bevorstehende Aufgabe betet. Er bringt Ray einen Brief von seiner Partnerin Nessa (Samantha Morton), der Wunden aus der Vergangenheit aufreißt. Nur langsam nähern sich die beiden Brüder an. Sie kochen und essen gemeinsam, verbringen die Nacht in der Hütte und erobern am nächsten Tag die Natur. Wandern, schwimmen, jagen, kämpfen und tanzen. Doch gesprächig werden sie erst, wenn am Abend die erste Flasche Whisky geleert ist. 

Daniel Day-Lewis Performance ist ungemein eindringlich und gibt dem Film die Tiefe, die dem Drehbuch fehlt. Das haben Vater und Sohn gemeinsam geschrieben, und es arbeitet mit allerhand Auslassungen. Bis zu einem gewissen Grad zahlt sich das aus, denn Day-Lewis hat eine faszinierende Präsenz, und Rays schroffe Art und knappe Kommunikation lassen dunkle Geheimnisse erahnen, die gelüftet werden wollen. 

Leider ist die Rolle von Jem wesentlich eindimensionaler, was ein Ungleichgewicht erzeugt, die dem Film eine leichte Theatralik gibt und den ein oder anderen Monolog etwas zäh oder theaterhaft erscheinen lässt. Brilliant dagegen Rays lebhafter Bericht über seine Rache an dem Priester, der ihn als Kind sexuell missbraucht hatte. Erwähnungen von Rays und Jems strengem Vater deuten auf ein entsprechendes Umfeld körperlicher Gewalt zu Hause hin. Es stellt sich heraus, dass die Brüder während des Nordirland-Konflikts in verschiedenen Zweigen der britischen Armee gedient haben und Rays direkte Gewalterfahrungen ihn psychisch gezeichnet haben. 

Auch wenn dem jungen Regisseur die mystischen Visionen Rays nicht immer reibungslos gelingen, kann er auf die Kameraarbeit von Ben Fordesman zählen, der nicht nur die imposante Landschaft einfängt, sondern die Elementarkräfte geradezu umarmt. Manchmal scheint es so, als ob Ray sie mit seiner jeweiligen Gemütslage beeinflussen kann, was in einer einem  Hagelsturm biblischen Ausmaßes  gipfelt, wie wir ihn seit MAGNOLIA (mit Fröschen) nicht mehr im Kino gesehen haben.

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