Call Me By Your Name

Berlinale 2017

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Call Me By Your Name 2017 Filmposter
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Bereits mit „I Am Love“ entführte Luca Guadagnino die Zuschauer in sinnlich-erotische Bilderwelten und erinnerte dabei an die Eleganz von Luchino Visconti. Seine Adaption des gleichnamigen Romans von André Aciman, die er gemeinsam mit James Ivory verfasste, geht in seiner Ausdruckskraft sogar noch darüber hinaus. Das Leuchten eines ganzen italienischen Sommers liegt verdichtet in diesem Film, und jede Einstellung sucht nach einer absoluten, formalen Schönheit. Vor allem ist der weltweit von den Kritikern gefeierte „Call My By Your Name“ jedoch eine feinfühlige Geschichte über die Erschütterung der ersten großen Liebe – und schon jetzt ein Meilenstein des Queer Cinema.

Es gibt wohl kaum einen größeren Sehnsuchtsort als das ländliche, sommerliche Italien der 80er Jahre – das glitzernde Wasser der Seen, geblümte Sommerkleider und kurze Jeans, schwelgerischen Italo-Pop und die Synthesizer des „Flashdance“-Soundtracks. Genau hier, wenn auch an keinem exakt bestimmten Ort, situiert Guadagnino eine Liebesgeschichte, wie man sie selten im Kino erlebt hat. Das liegt vor allem daran, wie Atmosphäre und Narration kontinuierlich ineinander greifen. Es geht nicht nur zum zwei Figuren, die auf unerwartete Weise ihre Leidenschaft füreinander entdecken, sondern um die Beschwörung einer Szene, die wir vermutlich alle in unserer Jugend erlebt haben, wenn auch nur für einen kurzen Moment.
Der 17jährige Elio (Timothée Chalamet) befindet sich an einer solchen Schwelle, kurz vor dem Erwachsenwerden, an der noch alles möglich scheint. Sein Vater, ein renommierter Archäologie-Professor, hebt antike Statuen aus den Gewässern, deren klassische Makellosigkeit selbst zum ästhetischen Vorbild des Films wird. Dazu benötigt er, wie jeden Sommer, eine wissenschaftliche Hilfskraft, die ihm zur Seite steht. Und so gelangt der blonde Schönling und Doktorand Oliver (Armie Hammer) in das großzügige Anwesen der Familie Perlman. Zunächst ist Elio wenig begeistert davon, seinen Platz räumen zu müssen und blickt verhalten auf diesen All American Boy, der mit einer fast unverschämten Selbstsicherheit in seinem Körper zu wohnen scheint. Doch Oliver entpuppt sich als weltmännisch und sprachgewandt – zudem auch als viel verletzlicher als der erste Eindruck es verriet.
Das Zueinanderfinden der beiden zeigt der Film in größtmöglicher Subtilität und Kraft: Ein langer Blick, eine unsichere Geste, der Anflug eines Lächelns. Eine solche wundersame Langsamkeit lässt das hervortreten, was Paolo Sorrentino mit „La Grande Bellezza“ betitelt hat. Das intensive Rot der Dachziegel im lombardischen Dorf, die dicht bewachsenen Obstgärten, Lichtstrahlen der Nachmittagssonne am himmelblauen Pool. Guadagnino lässt uns Teil eines ziellosen Sommertags werden, dessen Dämmerung Abenteuer verspricht und das Herz schneller schlagen lässt.
Die erste großen Liebe bleibt auch deshalb so tief im Gedächtnis, weil sie fast zwangsläufig mit einer Enttäuschung endet, selten hält sie fürs ganze Leben. Elio und Oliver ringen zudem mit einer weiteren Schwierigkeit: Die Akzeptanz ihrer Beziehung in Gesellschaft und Familie. Einer der stärksten Momente des ganzen Films ist ein Gespräch zwischen dem verzweifelten Elio und seinem Vater, das sich zu einem Geständnis verwandelt. Michael Stuhlbarg, der ebenfalls in einer Nebenrolle in „The Shape of Water“ im Kino zu sehen ist, spielt die lange Szene mit einer Eindringlichkeit, die zu Tränen rührt, und ihren Platz in der Filmgeschichte finden wird. Es liegt ein Moment der Ehrlichkeit und Nähe darin, wie es sich jedes Kind von seinen Eltern nur wünschen kann.

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