Das Lehrerzimmer

Nominiert für den Auslands-Oscar 2024 / Panorama, Berlinale 2023

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Das Lehrerzimmer - 2023
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“Was im Lehrerzimmer ist, bleibt im Lehrerzimmer!” heißt es an dem Gymnasium, wo Carla Nowak (Leonie Benesch) ihren ersten Job als Lehrerin antritt. Sie unterrichtet Sport und Mathematik, und wer jetzt ein Schuldrama mit marodierenden Schülern unterschiedlichster ethnischer Herkunft erwartet, liegt falsch, denn eigentlich läuft es ganz gut mit dem Unterricht. Anders ist es hinter den Kulissen, wo Carla bald zwischen die Fronten von Kollegen, Verwaltungspersonal und Elternschaft gerät. İlker Çatak (ES GILT DAS GESPROCHENE WORT) hat dieses elektrisierende Werk über den Mikrokosmos Schule als Spiegelbild auf unsere Gesellschaft geschrieben und kurzweilig inszeniert.

Carla unterrichtet die 7. Klasse, ist sehr engagiert und lässt sich einiges im Unterricht einfallen. Und ihre Schüler sind aufmerksam, ziehen mit und lassen sich motivieren. Im Lehrerzimmer sieht es da schon anders aus. Obwohl Transparenz das oberste Gebot ist, kocht hier jeder sein eigenes Süppchen und lässt sich nicht in die Karten schauen. Zurzeit gibt es ein Problem: Es kommt immer wieder zu kleineren Diebstählen, und die Kolleginnen und Kollegen sind mit Vorverurteilungen und zweifelhaften Verhörmethoden schnell bei der Sache. Die Verschwiegenheitspflicht bei Klassenkonferenzen wird immer wieder von den Schülerinnen und Schüler der Schüler-Mitverwaltung durchstochen. So haben die Gerüchte freie Fahrt und werden von den Gruppen befeuert, in deren Interesse sie liegen.

Als sich die Verdächtigungen auf einen Schüler aus Carlas Klasse kompilieren, springt sie für diesen in die Bresche. “Etwas überengagiert, die Neue!” kommentieren die  Kollegen und aus unterschiedlichen Meinungen wird bald ein Kleinkrieg, der immer komplexer wird und dessen Frontverlauf sich kaum mehr erkennen lässt. Carla unternimmt eigene Ermittlungen, um die Unschuld ihres Schülers zu beweisen, bringt dadurch aber eine Lawine ins Rollen, die sie nicht mehr stoppen kann. Die Dinge sind offensichtlich komplizierter als gedacht und schnell bekommen alle Wind von ihren Ermittlungen. Fortan muss sie vermitteln zwischen rechthaberischen Kollegen, empörten Eltern und angriffslustigen Schülern und als dann noch das Schüler-Magazin zu recherchieren beginnt, droht die Angelegenheit zu eskalieren.

Genüsslich zerlegt İlker Çatak den Mikrokosmos Schule und führt dabei den Wunsch, es allen Recht zu machen ad absurdum. Er zeigt, wie gute Vorsätze zu einem heillosen Chaos führen, das bald sehr unangenehme Züge zeigt. Dabei kann man seinen Film über das Schuldrama hinaus, auch als Metapher auf unsere Gesellschaft verstehen, die die derzeitige Debattenkultur, aber auch Begriffe wie ‘political correctness’ und ‘wokeness’  hinterfragen. So erlebt man, auch wenn man keine Kinder hat, ein Déjà Vu nach dem anderen, und vieles kommt einem unangenehm vertraut vor. Die eigentliche Leistung des Films ist aber sein Humor, der Zuschauer blickt mit ein wenig Abstand auf das Geschehen, was ihm die Distanz gibt, Fehlerquellen zu erkennen und sich über sie amüsieren zu können.

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