Der Baader Meinhof Komplex
Deutschland, Tschechien, Frankreich | 2008 | FSK 12

„Hört auf, sie so zu sehen, wie sie nicht waren!“ Dieser Auspruch von Brigitte Mohnhaupt ist die Kernzeile dieses Films und erweckt er den Eindruck, als könnte uns diese Edel-Eichinger-Megaproduktion etwas Neues über die RAF erzählen. Dabei macht Eichinger das, was er meistens macht, er entmythologisiert und reduziert ein Jahrzehnt jüngster Geschichte auf eine Chronik von diversen Verbrechen.
Ob er damit die Geschichte neu schreibt, dafür fast alle bekannten deutschen Schauspieler aufbieten muss und ob er damit überhaupt einen guten Kinofilm geschaffen hat, dies mag jeder Zuschauer selbst entscheiden. Wer jedenfalls schon DER UNTERGANG gesehen hat, um eine Antwort auf die Frage, warum Hitler die Massen begeisterte zu bekommen, sollte auch hier nicht erwarten, dass er eine Erklärung für den Sympathiebonus der RAF in der Bevölkerung bekommt.
Immerhin erwähnen Edel/Eichinger die Geburtsstunde des deutschen Terrorismus und zeigen seine Motive auf: Der Kampf für eine bessere Welt, gegen Hunger, Krieg und Faschismus, fand damals wie heute breiten Anklang in der Bevölkerung. Allein der Weg war neu, als man sich von der Außerparlamentarischen Opposition (APO) mit den Worten verabschiedete: „Wir wollen nicht mehr quatschen, sondern endlich was tun.“ Und als dann noch beim Besuch des Schahs von Persien die Demonstranten von persischen Schlägertrupps mit Billigung der deutscher Polizei zusammengeschlagen wurden und Benno Ohnesorg erschossen wurde, war das wohl genau die Geburtsstunde des deutschen Terrorismus.
Doch von Anfang an kann die RAF kaum Akzente in ihrem Kampf um eine bessere Welt setzen, sondern hat sich einer radikalen Verfolgung zu erwehren, die ausgerechnet unter dem Bundeskanzler Willi Brandt, der etwas mehr Demokratie wagen wollte, zu traurigen Höhepunkten gelangt. Elektronische Massenfahndung, Einzelhaft und Kontaktsperre bündelten alle Ressourcen der Terroristen darauf, sich selbst zu verteidigen. So ging der Kampf im Gefängnis weiter und wurde darauf reduziert, die Bundesrepublik Deutschland als faschistoiden Polizeistaat zu entlarven. Eine ungeheuerliche Anschuldigung, bei deren Widerlegung die sicherlich überforderten Behörden oft eine schlechte Figur machten. So kämpften die Terroristen fortan um ihren Status als politische Gefangene und forderten Sonderrechte. Eine beinahe nostalgische Auseinandersetzung, wenn man bedenkt, wie heutzutage mit Terroristen umgegangen wird.
Und genau so arbeitet auch dieser Film, wenn er versucht den RAF-Mythos zu zerstören. So versuchen Edel/Eichinger die Ausführungen von Ulrike Meinhof „Wenn einer eine Bombe wirft, so ist das ein Verbrechen, wenn aber viele Leute viele Bomben werfen, dann ist das eine politische Aktion!“ zu widerlegen, indem sie zeigen, dass viele Bomben auch viel mehr Leid und Zerstörung verursachen. Und so inszenieren sie die jüngste deutsche Vergangenheit als eine Folge von Bombenanschlägen, Entführungen und Schießereien, die alle nur dem einen Zweck dienen, die RAF zu entmythologisieren und auf simple Verbrecher zu reduzieren. Und spätestens, wenn am Ende Brigitte Mohnhaupt den Kämpfern der 2. und 3. Generation gesteht, dass ihre Vorbilder in Stammheim nicht umgebracht wurden, sondern dies selbst erledigt hätten, und sie auffordert, ihre Idole endlich so zu sehen, wie sie wirklich waren, scheint diese Entmythologisierung sogar die RAF-Kämpfer erreicht zu haben.
Ob dies allerdings zur Bewältigung einer deutschen Vergangenheit beiträgt, aus deren Widerstand Organisationen wie DIE GRÜNEN, GREENPEACE und „amnestie international“ enstanden sind, die längst einen besseren Weg gefunden haben, um unser aller Traum von einer besseren Welt ein Stück weit voran zu bringen, mag jeder selbst entscheiden.


