Der Mauretanier

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Der Mauretanier - 2021 poster
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Guantanamo. Kaum etwas beschreibt das moralische Versagen der USA so sehr wie das Lager auf Kuba, in dem angebliche Terroristen jahrelang weggesperrt wurden. Unter ihnen Mohamedou Ould Slahi, dessen Schicksal Kevin Macdonald in DER MAURETANIER als Mischung aus Dokudrama, Gerichtsfilm und Moritat verfilmt - unter anderem mit Jodie Foster und Benedict Cumberbatch.

Im November 2001, zwei Monate nach den Anschlägen vom 11. September, wurde Mohamedou Ould Slahi (Tahar Raim) in seiner mauretanischen Heimat verhaftet. Erst 15 Jahre später wurde er freigelassen und das, obwohl ihm eine Schuld, eine Verbindung zu den Anschlägen nie nachgewiesen werden konnte. Ob Slahi tatsächlich vollständig unschuldig ist, ist eine offene Frage, die Kevin Macdonald geschickt umschifft, auch wenn sie unmittelbar zum moralischen Kern seines Films führt. Denn auch wenn Slahi, wie angedeutet wird, in jüngeren Jahren Verbindungen zu Al Qaida hatte, auch wenn die Geldflüsse zwischen seiner Hamburger Wahlheimat und Mauretanien beziehungsweise Afghanistan tatsächlich nicht zur Unterstützung seiner Eltern, sondern des Dschihad flossen: Was in Guantanamo und anderen amerikanischen bzw. von den Amerikanern kontrollierten Gefängnissen geschah widerspricht all den Werten, für die Amerika steht und in den Krieg zieht.

Habeas Corpus heißt das Stichwort, das in allen Rechtssystemen verbriefte Grundrecht,dass jeder Gefangene in akzeptabler Zeit einem Richter vorgeführt wird und erfährt, wie die Anklage lautet. Genau dieses fundamentale Recht hat Amerika mit Füßen getreten, hat Menschen, die dem Bild des Terroristen entsprachen, eingesperrt, unter Folter Geständnisse erpresst und sich jahrelang geweigert; Anklage zu erheben. Doch auch in Amerika gab es Anwälte, die diesen rechtlichen und moralischen Skandal nicht mit ansehen wollten und den langen Weg durch die Instanzen begannen. Nicht um speziell diesem oder jenem Gefangenen zu helfen, sondern um das Rechtssystem als Ganzes zu bewahren. Eine dieser Anwälte war Nancy Hollander (Jodie Foster), die durch Zufall von Slahi erfuhr und begann, ihn pro bono, also ohne Bezahlung zu verteidigen. Ihr Gegenüber stand Lt. Col. Stuart Couch (Benedict Cumberbatch), der Ankläger der Regierung, der vielleicht nicht zufällig mit dem Fall betraut wurde. Ein guter Freund von ihm war an Bord des Flugzeugs, dass in den Südturm des World Trade Centers gelenkt wurde, eine persönliche Ebene, die den bekennenden Christen jedoch nicht davon abhielt, das Unrecht zu erkennen, zu dessen Teil er zu werden drohte. 

Ein klassisches Gerichtsdrama ist DER MAURETANIER also nicht, deckt auch keinen bislang unbekannten Skandal auf, denn sein grausames Schicksal hat Slahi selbst in einer Autobiographie beschrieben, die auch in Deutschland ein Bestseller war. Kevin Macdonalds Film schildert in oft schwer zu ertragender Unmittelbarkeit die langen Jahre, die Slahi hinter Gittern unter vielfältigen Foltermethoden erleiden musste. Zumindest in Tahar Rahims Darstellung bewahrte er dabei schier unmenschliche Würde, gab sich nie auf und bewahrte trotz allem die Hoffnung auf das Gute im amerikanischen Rechtssystem. Doch auch nachdem ein Gericht entschied, dass er freigelassen werden sollte, dauerte es noch sieben Jahre, bis er tatsächlich freigelassen wurde. Diesmal war es die Obama-Administration, die sich sträubte, die trotz aller Versprechungen nicht dazu in der Lage war, Guantanamo zu schließen, das Unrechtssystem zu beenden.