Die Aussprache

1 Oscar 2023

Infos Vorführungen

Die Aussprache - 2022
Informationen

Seit längerer Zeit vergehen sich Männer an den Frauen einer Mennoniten-Gemeinde. Sie betäuben sie und vergewaltigen sie. Als einer der Männer erwischt wird, nennt er auch die anderen Täter. Doch es passiert nichts. Von den Frauen wird erwartet, ihren Peinigern zu vergeben. Es wird nicht nur erwartet, es wird gefordert. Vergebung für die Täter oder die Exkommunikation der Frauen. Doch die Frauen wollen dies nicht hinnehmen, obwohl sie es immer getan haben, weil sie in dem patriarchalischen System dieser Glaubensgemeinde noch nie etwas zu sagen hatten. Diesmal stimmen sie ab: Nichts tun, bleiben und kämpfen oder weggehen.

Der wahre Fall ist nur die Ausgangslage, ebenso der Roman, den Sarah Polley nutzt, um eine Geschichte zu erzählen, die auf vielen Ebenen funktioniert und die Zuschauenden sofort in die Handlung zieht. Man fühlt mit den Frauen, denen Bildung vorenthalten wurde, die kaum lesen und schreiben können, von denen immer erwartet wurde, nicht zu denken, nicht zu sprechen, hinzunehmen, was man ihnen antut. Doch es beginnt eine Emanzipation. Ein großer und mutiger Schritt, besonders für Menschen, die immer klein gehalten wurden. Die nie ein anderes Leben gekannt haben, und nicht einmal die nähere Umgebung ihrer eigenen kleinen Kolonie kennen.

Der Originaltitel „Women Talking“ ist prägnanter als DIE AUSSPRACHE. Es ist keine Aussprache, die hier stattfindet: es ist eine Diskussion, die sich auch mit dem Glauben der Frauen befasst, mit dem, was sie sich wünschen – Sicherheit für ihre Kinder und sich selbst und die Freiheit, selbst zu denken. Doch in diesem derart patriarchalischen System findet eine Opfer-Täter-Umkehr statt, und man erwartet von den Frauen, dass jede noch so große Schandtat einfach vergeben und vergessen wird. Geschieht dies nicht, so würden sie nicht ins Himmelreich einkehren.

Der Film ist in erster Linie ein Kammerspiel – er spielt größtenteils in der Scheune, in der die Frauen miteinander reden. Aber er ist auch wundervoll gefilmt. Sarah Polley entschied sich, die Farben stark zu entsättigen. Fast wirkt der Film, als wäre er schwarzweiß. Das unterstreicht sehr gut das Erzählte. Es wirkt, als werfe man einen Blick auf Vergangenes. Damit wird illustriert, dass diese Frauen im Jahr 2010 in einer Welt leben, die für die meisten längst vergangen erscheint. DIE AUSSPRACHE funktioniert dabei auf mehreren Ebenen: prangert ein Ungleichheitssystem an, konzentriert sich auf die traumatische Wirkung sexueller Gewalt und zeigt den auch von Angst getriebenen Kampf von Frauen, die nicht länger unter einem Joch leben wollen. Sie wollen im Grunde nur, was jeder will: Basis-Freiheiten, die selbstverständlich sein sollten, die ihnen jedoch vorenthalten werden.

Der Film behandelt ein schwerwiegendes und wichtiges Thema, aber er findet immer auch Momente zum Schmunzeln. Mit Rooney Mara, Claire Foy und Jessie Buckley in den Hauptrollen ist der Film exzellent besetzt, Produzentin Frances McDormand ist leider nur in einer kleinen Rolle zu sehen. Ben Whishaw ist der einzige Mann in dieser Geschichte – ansonsten gibt es keine männliche Perspektive, aber sie ist auch nicht vonnöten in einer Geschichte, in der es um das Gefühlsleben der Unterdrückten geht.

Galerie