Die göttliche Ordnung

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Die göttliche Ordnung 2016 Filmposter
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Bis in die frühen siebziger Jahre waren Frauen in der Schweiz vom Wahlrecht ausgeschlossen — in einigen Kantonen sogar bis in das Jahr 1990. Entlang dieser historischen Tatsache entwickelte die Schweizer Filmregisseurin Petra Volpe eine hintersinnige, ironische und bisweilen sehr berührende Tragikomödie, die in ihrer Heimat mit Preisen und auf dem Tribeca-Filmfestival mit dem begehrten Publikumspreis ausgezeichnet wurde. Ein Film über starke Frauen, aber kein klassischer Frauenfilm.

In der schönen Schweiz scheint Anfang der 1970er Jahre die Welt noch in Ordnung. Während andernorts die 68er-Bewegung für Frieden, Frauenrechte und die sexuelle Revolution auf die Straßen geht, hält man all diese Dinge in den meisten Kantonen der Alpenrepublik für Teufelswerk. Hier herrscht noch der Mann nahezu uneingeschränkt über die Familie und das Dorf. Er geht arbeiten und bringt das Geld nach Hause. Frauen kümmern sich dagegen wie selbstverständlich um den Haushalt und die Erziehung der Kinder. Gegen diese gesellschaftlichen Normen hat die zweifache Mutter Nora (Marie Leuenberger) nie laut rebelliert. Stattdessen versuchte sie immer, es ihrem Mann Hans (Max Simonischek) und auch allen anderen Recht zu machen. Als jedoch eine Abstimmung über die Einführung des Frauenwahlrechts ansteht, wird ihr plötzlich die Ungerechtigkeit dieses streng patriarchalischen Systems bewusst. Nora beschließt, in ihrem Dorf den Wahlkampf zu organisieren und sich aktiv für die Gleichberechtigung einzusetzen. Ihr Mann ahnt von all dem zunächst nichts.„You don’t own me, I’m not just one of your many toys“ sang einst Lesley Gore. Tatsächlich hat die Schweizer Filmregisseurin Petra Volpe genau diesen Song nicht zufällig an eine entscheidende Stelle im Film prominent platziert. Gores Zeilen unterstreichen die Wandlung der Hauptfigur, die mit einem Besuch beim örtlichen Friseur plötzlich für jeden sichtbar wird. Neue Frisur gleich neuer Lebensabschnitt, so lautet die bekannte und oft genutzte Gleichung. Zum Glück geht „Die göttliche Ordnung“ mit seiner optimistischen, emanzipatorischen Agenda über Äußerlichkeiten recht bald hinaus. Und obgleich der Weg, den Nora und ihre ebenso kämpferischen Mitstreiterinnen einschlagen, zu keiner Zeit ernsthaft in Frage steht, hält die Geschichte bis zu ihrem kathartischen Ende die Spannung aufrecht.

Während der Schwiegervater gemütlich im Fernsehsessel auf seinen Nachmittagstee wartet, ist Nora vor allem mit Hausputz beschäftigt. Er hebt kurz die Beine an, damit sie auch dort saugen kann. Loriot hätte es kaum besser inszenieren können. Aber nicht nur von den Männern hört man Sätze, die reaktionär klingen und das Publikum zum Schmunzeln bringen dürften. Ausgerechnet das dörfliche „Aktionskomitee gegen die Verpolitisierung der Frau“ wird von einer Frau angeführt. Die Linie zwischen Befürwortern und Gegner des Frauenstimmrechts, das macht Volpe mehrmals deutlich, verlief damals nicht ausschließlich entlang der Geschlechter. Als Nora ihren Hans fragt, wie er abstimmen würde, fällt seine Antwort anders aus als gedacht.

Es sind dann auch eher die leisen Zwischentöne, die in Erinnerung bleiben, wobei es in „Die göttliche Ordnung“ auch viel feinen und manchmal sogar recht derben Humor gibt. Noras entschlossener Kampf erinnert zudem daran, dass Gleichberechtigung und Forderungen nach politischer Teilhabe selbst mitten in Europa noch vergleichsweise „jung“ sind.

Quelle: programmkino.de

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