Die Theorie von allem
Deutschland, Österreich, Schweiz | 2023 | FSK 6
Venedig 2023
Der einzige deutschen Beitrag im Wettbewerb der Filmfestspiele in Venedig 2023 wurde am Lido heiß diskutiert. Auch wenn die Bandbreite der Urteile von genial bis hanebüchen reichte. DIE THEORIE VON ALLEM ist die zweite Regiearbeit des deutschen Kameramanns Timm Kröger, der bereits mit seinem Abschlussfilm ZERRUMPELT HERZ, der keine Kinoauswertung erfuhr, 2014 nach Venedig eingeladen wurde.
Weder die internationale noch die deutsche Presse traute sich seinen Film zu verreißen, zu verworren und unter Umständen doch logisch ist die Handlung und zu komplex mit vielen Zitaten aus der Filmgeschichte die Machart. In der amerikanischen Presse wurde er gar mit Christopher Nolans OPPENHEIMER verglichen, ein stringent erzähltes Biopic, zu dem Krögers Film eine Art metaphysisches Gegenteil ist.
Er blendet zurück ins Jahr 1962, wo Johannes Leinert (Jan Bülow) mit seinem Doktorvater (Hanns Zischler) zu einem physikalischen Kongress in den Schweizer Alpen reist. Johannes hat eine Doktorarbeit vorgelegt, in der er die Existenz multipler Universen aus der Schrödinger Gleichung ableitet. Sein Doktorvater steht seiner Theorie eher ablehnend gegenüber, doch auf diesem Kongress soll ein iranischer Wissenschaftler einen bahnbrechenden Vortrag zu diesem Thema halten. Aber der Vortragende taucht nicht auf, und so ist die illustre Gesellschaft unter sich und muss sich die Zeit mit geistreichen Dinnerpartys und eleganten Ski-Ausflügen vertreiben. Dabei trifft Johannes auf einen dubiosen Professor mit dunkler Vergangenheit, der ihn in seiner Theorie ermutigt, und auf eine geheimnisvolle Pianistin (Olivia Ross), die Dinge von ihm weiss, die sie nicht wissen kann. Mit ihrer Hilfe kommt er einem Verbrechen auf die Spur, das schwer zu enträtseln ist. Denn hier in den Schweizer Bergen, wo zu Nazizeiten Uran abgebaut wurde, gehen merkwürdige Dinge vor sich, und so entwickelt sich ein Kriminalfall, der in drei Universen spielt und Begriffe wie Schuld und Wahrheit relativiert, denn was in dem einen Universum geschehen ist, kann in dem anderen ganz anders abgelaufen sein.
Kröger nutzt die Theorie der Multiplen Universen und ihren Einfluss auf die Zeit, um eine metaphysische Geschichte zu erzählen, die zwischen Wissenschaftsfilm, Love Story und Krimi hin und her schwingt und dabei inhaltlich kaum zu fassen ist, weil man nie weiss, in welchem der Universen sich die Protagonisten gerade befinden und ob die gerade gefunden Spuren wirklich aus unserer Welt kommen. Gerne lässt Kroger Namen fallen wie Heisenberg oder Niels Bohr und erzeugt eine Pseudo-Spannung, die sich am Ende im Nichts auflöst. Dem wird nicht jeder folgen wollen, seinem visuellen Artwork hingegen kann man sich kaum entziehen, denn Kröger und sein Kameramann Roland Stuprich zitieren sich sich in ihrem Schwarzweißfilm quer durch die Filmgeschichte, angefangen vom deutschen Expressionismus über Erich Kästner, Hitchcock und Tarkowski bis hin zur Nouvelle Vague und stellen die Frage, inwieweit Begriffe wie Wahrheit und Existenz angesichts ihrer Relativität wichtig sind.
Festivalleiter Alberto Barbera hatte den Film schon im Vorfeld groß angekündigt: “Sechs Jahre hat Timm Kröger an dem Film, wann immer es ihm möglich war, gearbeitet und doch ist es ein Werk aus einem Guss, mit einer starken Handschrift und Vision, sehr ambitioniert, sehr persönlich, sehr originell. In Schwarzweiß gedreht und angefüllt mit Referenzen zu den großen Meistern der Filmgeschichte, ist es keine Zitatesammlung. Vielmehr formt der er aus den vielen Referenzen einen eigenen Stil, der ganz unverkennbar sein eigener ist und im Dienst einer gewagten und verrückt-schrägen Geschichte steht, die man unmöglich in einem Satz zusammenfassen kann. Man muss diesen Film einfach selbst entdecken.”