Die Vorkosterinnen
Italien, Belgien, Schweiz | 2025 | FSK 12

Mit BROT UND TULPEN, der Geschichte einer von ihrer Familie auf einem Parkplatz vergessenen Hausfrau, die in Venedig ein neues Leben anfängt, gelang Soldini im Jahr 2000 ein erfolgreicher und mit Preisen überhäufter Kinohit. In seinem deutschsprachigen Regie-Debüt DIE VORKOSTERINNEN erzählt er nun von einem bisher wenig beleuchteten Aspekt der NS-Zeit.
Der Plot basiert auf der Lebensgeschichte von Margot Wölk. 2018 erschien der Roman „Le assaggiatrici“ (The Tasters) von Rosella Postorino, der sich des Themas annahm. Die Autorin hatte nie die Gelegenheit, die wirkliche Margot Wölk kennenzulernen. Sie starb mit 97 Jahren kurz vor ihrer vorgesehenen persönlichen Begegnung. Erst drei Jahre zuvor hatte sie sich als eine von Hitlers Vorkosterinnen zu erkennen gegeben und damit Postorinos Interesse geweckt. So beschloss sie, Wölk in ihrem Roman als fiktive Figur anzulegen.
Erzählt wird die Geschichte aus der Perspektive der 26-jährigen Rosa, deren Mann 1943 an der Ostfront kämpft. Sie flüchtet vor den Russen aus Berlin zu ihren Schwiegereltern in das kleine Dorf Groß-Partsch in der Nähe von Hitlers geheimen Führerhauptquartier Wolfsschanze im damaligen Ostpreußen (heute Polen). Kurz nach ihrer Ankunft wird sie zusammen mit einer Gruppe weiterer Frauen von der SS unfreiwillig und unangekündigt zu einer “ehrenvollen” Aufgabe abgeholt. Jeweils mittags und abends müssen die Frauen unter strenger Aufsicht in einer Baracke in der Nähe der Wolfsschanze vorbereitete Mahlzeiten probieren, um sicherzustellen, dass sie nicht vergiftet sind. Nach jeweils einer Stunde können sie nach Hause gehen – sofern sie keine Beschwerden haben. Im Laufe der Zeit entstehen kleine Rivalitäten, aber auch Freundschaften zwischen den Mitgliedern dieser Zwangsgemeinschaft, besonders zu einer von ihnen, Elfriede, entwickelt Rosa eine enge Bindung. Als ein neuer Kommandant zur Wolfsschanze kommt und ein Klima der Angst verbreitet, beginnt Rosa mit ihm überraschend eine heimliche Beziehung.
Soldini wählt bei der Erzählung diese Geschichte einen sehr intimen Ansatz, beobachtet seine Protagonisten genau, und selbst bei unsympathischen Figuren wie dem hart und gewalttätig auftretenden SS-Kommandeur Albert Ziegler schimmern menschliche Züge durch. Alle funktionieren in einem System, das ihre Menschlichkeit auf die Probe stellt und ihre moralischen Grenzen austestet. Alle eint der Wunsch nach einem normalen Leben jenseits des Krieges, nach Freundschaft und Liebe. Doch in einer finalen Extremsituation werden von den Einzelnen Entscheidungen verlangt, die auch ihre Unterschiede deutlich zu Tage treten lassen. Der ohne deutsche Produktionsbeteiligung, aber zum Teil mit deutschem Ensemble gedrehte Film ist bei aller Dialoglastigkeit spannend inszeniert und vermittelt dieses dunkle Kapitel unserer Geschichte aus einer neuen, noch wenig beachteten Perspektive.