Fabian oder der Gang vor die Hunde

Berlinale 2021

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Der engagierte Regisseur Dominik Graf spielt gern nach eigenen Regeln. Das beweist auch seine Adaption von Erich Kästners 1931 erschienenem Berlin-Roman! Sein meisterhaftes dreistündiges Sittengemälde der Weimarer Republik fasziniert nicht zuletzt mit atemlosem Formalismus. Historische Archivaufnahmen und Split-Screen-Bilder treffen auf schnell geschnittene Szenen, gedreht mit perfekt bewegter Kamera. Die Geschichte eines Moralisten, der auf den Sieg der Anständigen wartet, an den er selbst nicht mehr glaubt, schlägt geschickt Brücken zur Gegenwart. Hauptdarsteller Tom Schilling verkörpert den „Helden auf verlorenem Posten“ mit beeindruckender Präsenz.

Berlin gegen Ende der Weimarer Republik. Die Stadt brodelt, das Leben oszilliert zwischen Vergnügungssucht und Resignation, in der Gesellschaft gärt es. Kriegstraumata, Arbeitslosigkeit, Depression und Sehnsucht nach Liebe. Jakob Fabian (Tom Schilling) arbeitet eher erfolglos in der Werbeabteilung eines Zigarettenherstellers. Der Germanist will eigentlich Schriftsteller werden. Stattdessen schreibt er Zigarettenreklame. Nicht zuletzt deshalb hadert er mit sich selbst. Seine Nächte sind chaotisch. Und sie spucken ihn am Morgen wieder vor seinem möblierten Zimmer in der Schaperstraße aus. Eines Abends trifft er im Berliner Nachtleben die selbstbewusste Cornelia von Battenberg (Saskia Rosendahl). „Ich bin fünfundzwanzig Jahre alt, und von zwei Männern wurde ich stehen gelassen. Stehengelassen wie ein Schirm, den man absichtlich irgendwo vergisst“, gesteht sie ihm. „Stört Sie meine Offenheit?“, will die junge Frau von ihm wissen. Für Fabian ist sie die Liebe seines Lebens. Er fühlt sich herausgefordert.

Die großartige Liebesgeschichte zwischen ihr und Fabian steht im Mittelpunkt des Films. Gemeinsam mit ihr und seinem wohlhabenden Freund Labude (Albrecht Schuch) stürzen sich die drei in die letzten Jahre der Weimarer Republik. Der Millionärssohn und Kommunist Labude träumt von einer Revolution der Klassen. Gleichzeitig schreibt der Sohn eines erfolgreichen Anwalts fünf Jahre lang an seiner Dissertation über das Werk Lessings. Und traut sich nicht, sie endlich seinem Professor abzugeben. Er ist reich, aber unglücklich. Seine Verlobte hat ihn kurz vor der Hochzeit betrogen. Sein Vater betrügt die Mutter mit einer jungen Geliebten, die ihn ebenfalls hintergeht. „Im großen Buch der Liebe steht links geschrieben, wer wen zuerst verlässt“, sagt Labude lapidar. 

Es funktioniert ziemlich gut, wie Dominik Graf für seine Protagonisten immer wieder Kästner-Sätze ins Drehbuch einbaut. Und auch die Erzählerstimmen aus dem Off wirken nicht aufgesetzt. Tom Schilling knüpft mühelos an seine Paraderolle in der wunderbaren Tragikomödie OH BOY an. Ein Melancholiker, desinteressiert an Macht und Geld, leidend daran, nicht anders zu können. Ein Moralist, dessen angestammter Platz, so Kästner, immer der verlorene Posten ist und dessen Wahlspruch „Dennoch“ ist. Der vielfache Grimme-Preisträger Dominik Graf und sein Kameramann Hanno Lentz verführen mit unerwarteten Nahaufnahmen und fiebrigen Bildern, die zwischen Stummfilm-Ästhetik, Schnittgewittern, Handkameragewackel und klassischen Dialogszenen wechseln. Voller Energie und mit emotionaler Kraft zeigt Graf den Klassiker der deutschen Literatur als scharfsinnige Avantgarde. Dem „Völkischen Beobachter“ galt Erich Kästners „Fabian“ als „Sudelroman“. Als die Bücher brannten auf dem Berliner Opernplatz, da brannte „Fabian“ ganz oben auf. Das Schlussbild erinnert daran.