Hans-Peter Feldmann: Kunst, keine Kunst

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Hans-Peter Feldmann 2017
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1966 fand in New York die erste Konzeptkunst-Ausstellung statt. Sie trug einen ebenso langen wie verwirrenden Titel: „Working Drawings and Other Visible Things on Paper Not Necessarily Meant to Be Viewed as Art“. Seither hat die Frage: Kunst, keine Kunst, die Betrachter und Künstler nicht mehr los­ge­lassen, ganz davon abgesehen, dass sie der neuen Berufsgruppe der Kuratoren zu bis dahin unvorstellbarer Macht und Einfluss verhalf. Jemand musste das Ganze erklären.

Mit unbestechlicher Beharrlichkeit stellt sich auf der Seite der Künstler der Düsseldorfer Hans-Peter Feldmann seit nun fast vierzig Jahren dieser Gretchenfrage, und dafür attestierte artnet seinem umfassenden Werk vor kurzem “alterslose Aktualität”. Hans-Peter Feldmann ist der Mann von nebenan. Neben den Malerfürsten, notorischen Exzentrikern und verkrachten Künstlerexistenzen wirkt er mit seinen hellen Hosen und grauen Jacketts so normal, dass er aus dem Rahmen unseres Künstlerbildes fällt. Völlig unbeirrt von wechselnden Ismen schuf er über Jahre ein um­fang­­­reiches Werk.

Eine seiner herausragenden menschlichen und künstlerischen Qualitäten besteht sicher darin, dass er nie aufgibt und den in der Kunstwelt grassierenden Zynismus für eine etwas zu bequeme Position hält, nicht aber für eine Haltung, die die Kunst – und uns – weiterbringt. Ein Film mit Hans-Peter Feldmann beschreibt also durchaus eine kämpferische Position, auch wenn man das ihm, dem Künstler, und dem Film nicht ansieht.

Feldmanns Aufmerksamkeit gilt seiner unmittelbaren Umgebung und den Vorbildern der Kunstgeschichte, denen er sich mit dem Blick des Künstlers und Ethnologen widmet, in dem er Abbildungen von Personen, Skulpturen und Alltagsgegenstände in eine neue Ordnung bringt. Spielend überwindet er die scheinbare Kluft zwischen Kunst und Alltag. Wir treten in einen künstlerischen Kosmos ein, dessen Handlungsspielraum, und damit meine ich wirklich einen Spiel-Raum, von Giorgiones “Schlafender Venus” bis zu einem Spülschwamm reicht. Low und high, U und E spielen bei Feldmann keine Rolle.
Feldmann ist kein Theoretiker seiner Kunst, er liefert weder Erklärungen, woher seine Ideen kommen, noch Deutungen seiner Arbeiten. Kein Text steht zwischen seinem Werk und dem Betrachter. Für diesen Film hat er Szenen ausgewählt, die er als Ideensammlung seit vielen Jahren in schwarzen Notizbüchern festhält. Schon vor den Dreharbeiten haben wir uns entschlossen auf  Storytelling und Zusammenhänge zwischen den Episoden zu verzichten. Eher sollte der Eindruck entstehen, als blättere man durch den Skizzenblock eines Konzeptkünstlers. Ohne begleitenden Kommentar und ohne Interview steht jede Szene für sich in einer zufälligen Reihenfolge.
Durch die Montage entwickelt der Film eine Folge von freien Assoziationen, in die wir uns ohne kausale Bezüge hineinziehen lassen können. Hier muss kein Bild dem anderen als Erklärungshilfe dienen, es gibt keine Haupt- und Nebenfiguren. Objekte und Landschaften sind so wichtig wie der Künstler, der sie in die Hand nimmt oder nur betrachtet. Die Unterscheidung von dokumentarischen und inszenierten Szenen wird hinfällig.
Und weil der Film auf Sprache als Erklärungshilfe verzichtet – ein Text aus einem Buch vorgelesen verweist auf nichts anderes als auf seine eigenen Sprachbilder –  konfrontiert er uns Szene für Szene mit unserer eigenen Dechiffriermaschine: Flusslandschaft, Blondine, Pelz, Akt, Familienfotos, Spielzeugauto, Peep Show, Buch, Straßenkreuzung, Geldschein hatten wir vielleicht auch alle schon einmal im Visier. Es sind unsere eigenen Sehgewohnheiten, die beim Anschauen des Films ganz von alleine Verbindungen herstellen und uns das Repertoire des Künstlers und seine Motive nach und nach verstehen lassen. So erinnert der Film in jeder Einstellung an die stoffliche Existenz der Dinge, mit denen wir selbst umgehen oder früher einmal Umgang hatten. Alles im Film hat eine analoge Materialität.

Die Frage des Künstlers KUNST, KEINE KUNST spiegelt sich methodisch in der Frage PORTRAIT, KEIN PORTRAIT. Denn die Struktur des Films folgt nicht den Erzählweisen eines klassischen Künstlerportraits. Vielmehr werden der Künstler und die Objekte, die er uns zeigt, zu Zeugen unserer Gegenwart und einer nahen Vergangenheit, die im Verschwinden begriffen ist.
Sie erzählen von Phantasien, Träumen, Kontinenten, Landschaften, Vorlieben, Erinnerungen, die in der Arbeit und im Leben Hans-Peter Feldmanns eine Form gefunden haben. Sie tragen Erinnerungen mit sich, an die wir unsere eigenen Phantasien knüpfen können.

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