Hinter den Schlagzeilen

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Hinter den Schlagzeilen - 2021 Filmposter
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Wie unterscheiden sich Fakten von Lügen? Aus was speist sich Glaubwürdigkeit? Wer steckt hinter den Recherchen? Gerade in Zeiten von Corona, wo sich Misstrauen gegen Journalist*innen in Form teils unverhohlener Attacken entlädt, erhält Daniel Sagers Dokumentarfilm „Hinter den Schlagzeilen“ aufklärerisches Gewicht. Er begleitet die zwei Investigativ-Journalisten Bastian Obermayer und Frederik Obermaier bei der Enthüllung der Ibiza-Affäre, die den österreichischen Vize Heinz-Christian Strache 2019 zum Rücktritt zwang und Kanzler Sebastian Kurz aus der Regierung katapultierte.

„Diese liberalen und offenen Gesellschaften, die wir geerbt haben, sind nicht garantiert.“ sagt niemand Geringeres als der weltbekannte Whistleblower Edward Snowden zu Beginn in einem Interview. Nur wenige Minuten später sehen wir Bastian Obermayer, den Leiter des Ressorts Investigative Recherche bei der Süddeutschen Zeitung, am Tatort auf der Insel Malta stehen, wo die Journalistin Daphne Caruana Galizia 2017 von einer Autobombe getötet wurde. Eine Gedenkstätte wurde errichtet, an der sich nun Blumen und Karten stapeln. Zum Zeitpunkt des Filmdrehs ist der Mord noch unaufgeklärt. Bastian Obermayer ist betreten: In solchen Momenten werde ihm die Gefahr seines Metiers bewusst.

Während er und sein Kollege Frederik Obermaier an einer Story über mysteriöse Waffenhändler recherchieren, wird ihnen ein Video mit Sprengstoffpotenzial zugespielt: Darauf zu sehen ist der österreichische Vize HC Strache, der unter Alkoholeinfluss mit der vorgeblichen Nichte eines russischen Oligarchen über illegale Parteifinanzierungen und andere Machtmissbräuche schwadroniert. Doch der anonyme Informant gibt das Video nicht frei. Die beiden Journalisten sitzen auf heißen Kohlen. Während sie auf das „Go“ warten, müssen sie die Legitimität der Quelle prüfen und sich juristisch gegen potenzielle Konsequenzen absichern. Als dann der Tag der Veröffentlichung endlich eintritt, wird Skandalgeschichte geschrieben!

Spätestens seit Trump und einem grassierenden Rechtspopulismus ist vielerorts die Rede davon, dass wir uns im „post-faktischen“ Zeitalter befinden, in dem Lügen dreist als „alternative Fakten“ präsentiert werden. Das Internet bietet den idealen Nährboden für Demagogie vielfältiger Couleur. Als über das aktuelle Tagesgeschehen halbwegs informierte*r Zuschauer*in, werden die gezeigten Bilder der Doku von dem Wissen überlagert, dass es weltweit kontinuierlich zu tätlichen Übergriffen auf Journalist*innen kommt. In einer sich immer weiter zuspitzenden Debatten- und Protestkultur sind sie zur Zielscheibe von Diffamierungen und Anfeindungen jedweder Art geworden.

Jüngst erschien schon der Dokumentarfilm „The Dissident“ über den ermordeten Journalisten Jamal Khashoggi und machte eindringlich auf die Wichtigkeit investigativer Berichterstattung sowie ihre große Bedrohung aufmerksam. Daniel Sager legt jedoch einen etwas anderen Schwerpunkt und beobachtet weitestgehend nüchtern die Abläufe investigativ-journalistischen Arbeitens. Dabei bleibt er sachlich, verzichtet auf Effekthascherei und wahrt (reichlich) professionellen Abstand zu seinen Protagonist*innen. Das führt dazu, dass die Doku mangels echter Anteilnahme mit ihnen streckenweise etwas dröge ausfällt. Die Brisanz des Themas und der spezifische Fall um HC Strache sind allerdings interessant bzw. spannend genug, um darüber hinwegzutrösten. Ebenso wie der insgesamt durchaus informative Einblick hinter die Kulissen der renommierten Investigativ-Abteilung von Deutschlands größter Tageszeitung.