Jeanne du BarryDie Favoritin des Königs
Frankreich, Großbritannien | 2023 | FSK 12
Eröffnungsfilm Cannes 2023
Auf die Entscheidung, JEANNE DU BARRY das diesjährige Festival in Cannes eröffnen zu lassen, folgte ein Skandal. Die Presse stellte die Frage nach der Selbstgefälligkeit des Festivals gegenüber Sexualstraftätern, nur weil Johnny Depp hier mitspielt, der nicht einmal verurteilt wurde. Aber auch Maïwenn bekam ihr Fett weg, ist der #MeToo-Bewegung doch noch gut in Erinnerung, dass sie damals Catherine Deneuve zur Seite sprang, als sie die Männer in Schutz nahm. Der französische Verleih tat das einzig richtige, startete den Film gleich nach dem Festival und führte ihn zu einem veritablen Arthaus-Erfolg.
Als Maïwenn Sofia Coppolas MARIE ANTOINETTE sah, war ich Wunsch geboren, auch einmal solch einen bildgewaltigen Kostümfilm zu drehen. Allein es sollte noch viele Jahre dauern, bis die Idee mit einem Biopic über Jeanne du Barry Formen annahm. Drei Jahre schrieb sie am Drehbuch, doch die meisten französischen Schauspieler sagten für die Rolle Louis XV. ab, bis sie auf die verrückte Idee verfiel, die Rolle Johnny Depp anzubieten, der sogleich begeistert zusagte.
Maïwenn erzählt hier die Geschichte von Jeanne Vaubernier, einer Bürgerlichen, die nicht nur gut aussieht, sondern mit Ehrgeiz und Wissbegier versucht, ihren bescheidenen Verhältnissen zu entkommen. Bald gewinnt sie die Aufmerksamkeit des Grafen du Barry, den ihre Anmut und Etikette so beeindrucken, dass er sie an den königlichen Hof nach Versailles vermittelt.
Hier regiert Louis XV., der vom höfischen Leben genauso gelangweilt ist wie von all dem Prunk und Protz. Ab und zu leistet er sich den Luxus und lässt eine Kurtisane heimlich ins Schloss bringen. Doch als Jeanne ihm vorgestellt wird, ist alles anders. Sie ist keine Frau für eine Nacht, weiß den König nicht nur mit ihrer Schönheit, sondern auch mit ihrem Verstand und ihrer kulturellen Bildung zu betören. Sie ist gekommen, um zu bleiben, und als der König dies amtlich macht, wird dies vom Volke missbilligt. Auch seine beiden Töchter sind entsetzt und wähnen bereits ihr Erbe in Gefahr. Sie starten sofort mit den typischen höfischen Ränkespielen dieser Zeit, mit denen sie ihre Widersacherin vom Hof jagen wollen. Doch Jeanne ist viel zu schlau, um sich auf die naiven Spielchen der Töchter einzulassen, vielmehr kümmert sie sich zum Wohlgefallen des Königs um die Erziehung seines einzigen Sohnes, den sie auf seine zukünftige Regentschaft vorbereitet und Louis hält zeitlebens seine schützende Hand über sie.
Im Gegensatz zu Sofia Coppola, die ihrerzeit das höfische Leben pop-art-mäßig in knallbunte Bonbonfarbe tauchte, hat Maïwenn mehr Respekt vor der französischen Geschichte und schwelgt in imposante Bildkompositionen, die sie am Originalschauplatz drehen konnte. Aus dem größten Skandal seiner Zeit macht sie eine märchenhafte Liebesgeschichte, und Johnny Depp spielt den Herrscher blass, etwas verlebt und vom höfischen Leben gelangweilt. Er ist eigentlich nur noch der Bewahrer eines Systems, das sich überlebt hat und nicht bemerkt, dass sich draußen auf den Straßen eine Revolution zusammenbraut.
Mit dem Tod des Königs endet auch Jeannes Zeit am Hofe, ihr Ziehsohn heiratet Marie Antoinette, kommt als Louis XVI. auf den Thron und bekommt gleich die volle Härte der Revolution zu spüren. Zusammen mit seiner Frau Marie Antoinette wird er zum Tode verurteilt und noch vor Jeanne guillotiniert, mit der die Volksseele auch kein Mitleid hat. Damals war das die Geburt der Demokratie, während wir heute eher mit deren Ende kämpfen.