JoJo Rabbit

Toronto 2019: Publikumspreis

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JoJo Rabbit - 2019 Filmposter
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Sie ist wieder da: Die Komödie über Hitler. Diesmal begibt sich der jüdisch-maori-stämmige Regisseur Taika Waititi in die großen Fußstapfen von Chaplin und Lubitsch. Er selbst verkörpert den „Gröfaz“ als vertrottelten Clown, der einem Knirps als Fantasie-Freund erscheint. Waititi versteht sein Werk ganz allgemein als „Anti-Hass-Satire“ und die gelingt allen Befürchtungen zum Trotz absolut grandios mit sehr guten Pointen samt bewegender Momente. Ein Film, der mit den Beatles beginnt und mit Bowie samt Rilke endet, kann ohnehin kaum schlecht sein.

Die berühmte Fox-Fanfare ist durch deutsches Liedgut ersetzt. Zum Vorspann (in Fraktur!) tönen die Beatles germanisch mit „Komm gib mir deine Hand“. Dazu gibt es NS-Propaganda aus alten Wochenschau-Aufnahmen mit frenetischen Massen und „Sieg Heil“-Rufen. Mit dieser provokativen Ouvertüre im „Monty Python“-Stil beginnt der Neuseeländer Taika Waititi seine Hitler-Groteske. Er selbst gibt den Diktator als vertrottelten Clown, der als imaginärer Fantasie-Freund dem zehnjährigen Jojo Betzler (Roman Griffin) erscheint. Der Knirps ist fanatisch begeistert vom Führer und dem Nationalsozialismus. Euphorisch nimmt er am Ertüchtigungslager der Hitler-Jugend teil. Bei der Mutprobe, dem Töten eines Hasen, scheitert der Junge jedoch, was ihm unter Gespött den titelgebenden Spitznamen einbringt. Selbst der Unfall mit einer Handgranate, der sein Gesicht entstellt, bringt JoJo nur kurzfristig von seinem Fanatismus ab. Erschüttert wird das Weltbild des Mini-Nazis erst, als er im trauten Heim das jüdische Mädchen Elsa (Thomasin McKenzie) entdeckt, welches seine Mutter Rosie (Scarlett Johansson) dort heimlich versteckt. Plötzlich stehen alle antisemitischen Vorurteile, die dem Jungen erfolgreich eingeimpft wurden, auf dem Prüfstand der Wirklichkeit.

Beim Filmfestival Toronto wurde „JoJo Rabbit“ mit dem Publikumspreis ausgezeichnet und gilt seit dem als Oscar-Favorit. So eindeutig wie das Votum der Zuschauer fällt jenes der Kritiker dabei nicht aus. Darf man über Nazi-Terror lachen, fragen Bedenkenträger wie einst vor 20 Jahren bei „Das Leben ist schön“ von Roberto Benigni. Faschisten als vertrottelte Knallchargen würden der grausam perfiden Wirklichkeit kaum gerecht. Die Auseinandersetzung mit dieser Ideologie auf bloßem Cartoon-Niveau reiche bei weitem nicht aus, um zu begreifen, was den gewöhnlichen Faschismus und die Banalität des Bösen ausmachen. Mit einem cleveren Schachzug nimmt Waititi solch berechtigten Vorwürfen den Wind aus den Segeln, indem er seine Groteske ganz allgemein und ohne ideologischen Ballast als bloße „Anti-Hass-Satire“ präsentiert (und so auch plakatiert!). Mit den Kinderdarstellern Roman Griffin Davis (der als junger Chaplin taugen könnte) und der wunderbaren Thomasin McKenzie bietet die Satire eine überzeugende Besetzung. Über die Qualitäten von Scarlett Johansson als zerbrechlich resolute Mutter und Sam Rockwell als durchgeknallten Offizier, muss man gar nicht erst reden. Am visuellen Stil hätte Wes Anderson gewiss sein Vergnügen. Wer darüber staunt, dass ein Neuseeländer zum Abspann David Bowie seine „Heroes“ auf Deutsch singen lässt, wird noch mehr verwundert sein, dass eine Texttafel dazu Rilkes Stundenbuch zitiert: „Lass dir Alles geschehn: Schönheit und Schrecken. Man muss nur gehn: Kein Gefühl ist das fernste.“ Man darf gespannt sein, ob der neuseeländische Tausendsassa bei seiner wohl sehr wahrscheinlichen Oscar-Rede jenen legendären Auftritt von Roberto Benigni in den Schatten stellt.