Lars EidingerSein oder nicht Sein
Deutschland | 2022 | FSK TBA
Vielleicht ein wenig früh für ein Biopic über Lars Eidinger. Spannend ist es trotzdem, denn Regisseur Reiner Holzemer nähert sich ihm über seine Schauspielkunst und seine künstlerische Biografie. Zum ersten Mal zeigt Deutschlands vielleicht außergewöhnlichster Schauspieler hier, wie er seine Rollen erarbeitet und gibt einen intimen Einblick in seine Arbeitsweise, die von großer Improvisationslust geprägt ist.
Eine Rolle spielen, den Begriff versteht er gar nicht. Er eignet sich seine Rolle an, macht sie zum Schauplatz seiner selbst, legt alles in sie hinein, was in ihm steckt. Er will ihr nicht gerecht werden, sondern sie soll ihm gerecht werden. Er gibt immer 100 Prozent, manchmal vielleicht auch mehr, dann steht er wieder in den Schlagzeilen, doch in diesen Kategorien denkt er nicht. Er arbeitet für sein Leben gern, was soll er denn zu Hause rumsitzen? Dort kann er nicht einmal üben, weil ihm ein Anspielpartner fehlt. Alleine nur für sich funktioniert Schauspielern nicht.
Er ist ans Theater gegangen, weil er sich hier verstanden fühlt, zuhause hatte man ihn nie verstanden, und so musste er sich einen anderen Ort suchen. Nicht verstanden fühlt er sich auch von den Kritikern, die seine Bilder mit der Aldi-Tüte vor einem Obdachlosen Camp nicht verstanden haben. “Wollten die auch gar nicht, die wollten nur die Schlagzeile”, sagt er. Trotzdem tangieren ihn solche Zeitungsartikel, denn Theater spielen heißt, sich zu involvieren, Reaktion zu evozieren, egal ob von Publikum oder Presse.
Holzemer zählt nicht nur seine Stationen wie zum Beispiel die Ernst Busch Schauspielschule auf, wo er in einem starken Jahrgang unter anderem mit Devid Striesow studierte, er begleitet ihn mit der Kamera, zu den Salzburger Festspielen, wo er sich 2021 die Hauptrolle des ‘”Jedermann” erarbeitet und zu Dreharbeiten nach Paris, besucht ihn in Paris bei den Dreharbeiten zu der Serie IRMA VEP von Olivier Assayas, wo er Statement von Kolleg:innen wie Isabelle Huppert einfängt, und beobachtet schließlich die intensive Zusammenarbeit mit Thomas Ostermeier an der Berliner Schaubühne.
So bringt Holzemer uns die Ausnahme-Erscheinung des Deutschen Theaters näher und findet sogar eine schlüssige Erklärung dafür, warum die einen ihn lieben und die anderen ihn hassen.