Nomadland

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NOMADLAND war schon als unsere Silvester-Premiere gesetzt, doch wegen Corona hat auch das nicht geklappt. Umso mehr freue ich mich, dass der Verleih ihn nicht auf seinem Online-Portal startet, sondern mit diesem Meisterwerk, das in Venedig den Goldenen Bären gewann und auch bei der diesjährigen Oscar-Vergabe mitmischen wird, den Restart unserer Kinos unterstützt.

“Das letzte Stückchen Freiheit in Amerika ist ein Parkplatz“ schreibt Jessica Bruder, die Autorin im Vorwort ihrer brillanten Buchvorlage, die jetzt von der in China geborenen, aber in der USA arbeitenden Chloé Zhao verfilmt wurde. Premiere feierte sie auf den Festivals in Venedig und Toronto quasi gleichzeitig. NOMADLAND ist ihr dritter Film und den nächsten, ETERNALS, hat sie gerade für die Marvel-Studios fertiggestellt. Internationale Aufmerksamkeit erlangte sie 2017 mit ihrem poetischen Cowboy-Drama THE RIDER, das zum Festival-Überraschungshit wurde und ihr Interesse und Händchen für komplexe Charaktere und authentischer Milieus zeigte.
In NOMADLAND übertrifft sie sich selbst und setzt dabei ganz auf ihre Hauptdarstellerin Frances McDormand, die – wie schon vor drei Jahren in THREE BILLBOARDS OUTSIDE EBBING, MISSOURI mit einer ‘One Woman Show’ begeistert. Damals legte sie eine unvergessliche Performance als supersaure Mutter hin, die die Polizeistation ihres Dorfes aufmischt, weil die Beamten nicht genug tun, um den Mörder Ihrer Tochter zu finden. Jetzt spielt sie die Witwe Fern, die wie viele in den USA nach der großen Rezession 2008 alles verloren hat. Nach dem wirtschaftlichen Zusammenbruch einer Industriestadt im ländlichen Nevada packt sie ihre Sachen und bricht in ihrem Van auf, ein Leben außerhalb der konventionellen Regeln als moderne Nomadin zu erkunden. Der Film zeigt auch die echten Nomaden Linda May, Swankie und Bob Wells als Ferns Mentoren auf ihrer Reise in die Weiten des amerikanischen Westens, hin zu neuen Lebenskonzepten und überzeugt durch seine atmosphärische Genauigkeit und die sensible Annäherung an die innere Welt seiner Protagonisten. Ganz bewusst entpolitisiert Zhao ihren Film, der über weite Strecken in Trump Land spielt: „Ich habe versucht, mich auf die menschliche Erfahrung und die Dinge zu konzentrieren, von denen ich glaube, dass sie über politische Statements hinausgehen.”
So schickt sie Fern auf eine Reise, die sie durch die unwirtlichen Gegenden im Mittleren Westen, wo sie als Saisonarbeiterin für Firmen wie Amazon arbeitet, über Rübenzucker-Plantagen vorbei an touristischen Orten bis hin zu Wüsten-Campingplätzen im pazifischen Nordwesten führt. Schlechte Bezahlung und fehlende Sozialleistungen sind ihr ständiger Begleiter, so dass sie nur mit Mühe sich und ihren Caravan über die Runden bringen kann. Jede kleine Reparatur stellt ein existentielles Problem dar. Doch sie genießt das Leben in der Natur und die Solidarität mit den anderen Nomaden.
Einmal besucht sie ihre Schwester, um sich 5.000 Dollar für die Reparatur ihres Vans zu leihen. Beim Abendessen wird schnell klar, warum Fern sich in eine solche bürgerliche Gemeinschaft nicht mehr einordnen kann. Es kommt zum Streit, doch ihre Schwester steht ihr bei und nennt sie besonders mutig: So wie damals die Pioniere, die ersten Siedler Amerikas, die in unwirtlichen Gegenden nach neuen Lebensmöglichkeiten suchten, steuert sie ihren Van übers Land, um nach neuen Lebenskonzepten zu suchen. Hatten die Pioniere damals mit einer oft feindlichen Natur zu kämpfen, versuchen die Nomaden im Einklang mit der Natur zu leben und Werte wiederzuentdecken, die in unserer modernen Gesellschaft verloren gegangen sind.