Parallele Mütter

Venedig 2021

Infos Vorführungen

Parallele Mütter - 2021 poster
Informationen

PARALLELE MÜTTER eröffnete im letzten Jahr das Festival in Venedig. Pedro Almodóvar kehrt mit diesem Film nach dem eher selbstreflexiven LEID UND HERRLICHKEIT zu seinen großen Frauen-Dramen zurück. Er erzählt von zwei werdenden Müttern, die sich im Krankenhaus auf der Entbindungsstation kennen lernen und deren Schicksal auf unerwartete Weise miteinander verknüpft wird.

Beide sind ungewollt schwanger. Im Gegensatz zu der schon etwas älteren Janis (Penélope Cruz), die sich auf ihre wohl letzte Chance freut, ein Kind zu bekommen, ist sich die noch minderjährige Ana (Milena Smit) ihrer Gefühle kaum bewusst, erscheint irgendwie traumatisiert. Sie findet Trost bei Janis, die ihr Mut macht, sich auf den neuen Lebensabschnitt zu freuen. Auch nach der Geburt halten die beiden Kontakt. Als Anas kleine Tochter den plötzlichen Kindstod stirbt, bekommen die Dinge allerdings eine überraschende Wende.
Pedro Almodovar stellt den persönlichen Konflikt um Familie und Identität in einer Rahmenhandlung in einen historisch-politischen Kontext mit der Franco-Diktatur, die erst 1975 mit dem Tod des Diktators endete. Da war Almodovar 26 Jahre alt und genoss die neue Freiheit in der aufblühenden Hauptstadt Madrid. Sein unbändiger Freiheitswille, sein Kampf um Gendergerechtigkeit und sexuelle Minderheiten mündeten in allerlei Filmen, die die Liebe und das Leben feierten, für Toleranz warben, aber auch große Tragödien erzählten. Doch eins waren sie nie: Sie waren nie explizit politisch. Nun aber lässt er dieses dunkle Kapitel der spanischen Geschichte konkret in seinen Film einfließen. Diese Zeit seiner Kindheit und Jugend habe ihn stark beeinflusst, wenn nicht gar traumatisiert, erläuterte Almodovar selbst unlängst auf dem Filmfest in New York. Nach über 40 Jahren fühle er sich nun endlich in der Lage, das Thema in einem seiner Filme zu verarbeiten.
Als Janis hinter ein Geheimnis kommt, dass ihr junges Mutterglück gefährden könnte zögert sie, ob sie allen Beteiligten reinen Wein einschenken oder lieber schweigen soll. Doch macht Glück auf Kosten anderer wirklich glücklich? Almodovar stellt diesen Konflikt ihrem Engagement in einer Bürgerrechtsbewegung gegenüber, die unbedingt die Exhumierung eines Massengrabs aus dem spanischen Bürgerkrieg durchsetzen will, um die Leichen zu identifizieren und ihren Familien zuzuführen. Hier liegt auch Janis Urgroßvater begraben, der von den Franquisten ermordet wurde. Der Film endet mit der Öffnung dieses Grabes und bildet eine Klammer, die von Vorfahren und Verwandten erzählt, von geschichtlicher und von persönlicher Wahrheit und Schuld. So vermischt Almodovar ein Familienschicksal mit dem einer ganzen Generation und zeigt, dass Verdrängung in beiden Fällen keine gute Option ist.
Nur eine Aufarbeitung, so schwer sie angesichts unangenehmer Wahrheiten auch sein mag, führt letztlich zur Katharsis und eröffnet die Möglichkeit für einen Neuanfang. Seine eigentlich recht einfache Geschichte erreicht auf diese Weise eine beträchtliche dramaturgische Fallhöhe und emotionale Tiefe, die von einer Penelope Cruz auf dem Zenit ihres Könnens eindrucksvoll umgesetzt wird. Eine echte Entdeckung ist auch ihr weiblicher Gegenpart Milena Smit. Nicht zuletzt gibt es auch ein Wiedersehen gibt es mit der Almodóvar-Veteranin Rossy di Palma. In Venedig wurde Penelope Cruz mit der Coppa Volpi als Beste Schauspielerin geehrt.

Galerie