ParanzaDer Clan der Kinder

Bestes Drehbuch Berlinale 2019

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Paranza - 2019 Filmposter

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Roberto Saviano hat mit seinem erfolgreich verfilmten Roman „Gomorrha“ zu einem neuen Verständnis der Mafia-Strukturen in Italien beigetragen, und auch sein aktuelles Buch wirft einen erhellenden Blick auf die Gewaltstrukturen der italienischen Gesellschaft. In seiner eindringlichen Adaption zeigt der Regisseur Claudio Giovannesi, wie junge Männer in die organisierte Kriminalität abrutschen, die so omnipräsent ist, dass sie für viele als einzige Aufstiegsmöglichkeit erscheint. Für das Drehbuch erhielt er den Silbernen Bären bei den diesjährigen Filmfestspielen in Berlin.

„Warum spielst du nicht Fußball? Die verdienen nicht schlecht!“, fragt der Mafia-Pate, als er von einem jungen, aufstrebenden Gangster um Waffen gebeten wird. „Ich war nie gut im Fußball“, antwortet der fünfzehnjährige Nicola, und damit ist alles gesagt. Wer im Viertel Sanità in Neapel groß wird, der wächst mit dem Bewusstsein auf, dass das Leben von der Mafia kontrolliert wird: Schutzgelderpressung, Drogenhandel, Schießereien. In dieser Welt ist Nicola sozialisiert worden, an dieser Welt will er teilhaben, koste es was es wolle. Er und seine Freunde haben Zeit ihres Lebens an der Seite der Mafia gelebt, und nun wollen sie nicht mehr nur zuschauen, sondern Teil des Herrschaftszusammenhangs werden. Zunächst verdingen sie sich als kleinere Drogenkuriere, doch schon bald fordern sie mehr. Zusammen mit Agostino (Pasquale Marotta), dem Sohn eines ermordeten Paten, will der „Clan der Kinder“ die Macht im Viertel übernehmen, und dafür ist bald jedes Mittel recht. Man besorgt sich Waffen, die erst nur Drohkulisse sind, bald aber auch eingesetzt werden, um Gegner aus dem Weg zu schaffen. Den oberen Bossen ist das gleich, sie versorgen die Jugendlichen mit immer größeren Mengen an Drogen, Hauptsache das Geschäft läuft. Und der Handel floriert; Nicola und seine Freunde können sich nun die Markenkleidung leisten, nach der sie sich ihr Leben lang verzehrt haben, können ihren Müttern kostspielige Möbelstücke kaufen, und kommen auch endlich in den teuersten Club der Stadt. Im Exzess zwischen Koks und Champagner scheint sich ihnen die ganze Welt aufzutun, doch es ist klar, dass dieser scheinbare Höhenflug nicht lange andauern kann.

Giovannesi, der auch an der Fernsehserie „Gomorrah“ mitgearbeitet hat, legt mit „Paranza – Der Clan der Kinder“ seinen dritten Spielfilm vor. Beim TV-Dreh lernte er Roberto Saviano kennen, der mit seinen Büchern über die Strukturen der Mafia berühmt wurde, und sein Leben seitdem unter Polizeischutz fristen muss. Vor einem Jahr erschien auch in Deutschland „Der Clan der Kinder“, sein erster Roman, der lose auf Ereignissen beruht, die sich erst vor ein paar Jahren in Neapel zutrugen. Nah am Dokumentarischen ist nun auch die Verfilmung, die den Weg Nicolas vom Teenager zum gejagten Verbrecher schildert. Gedreht wurde mit Laiendarstellern aus Neapel, in chronologischer Reihenfolge, die es erlaubte, den Input der jungen Neapolitaner in die Geschichte einfließen zu lassen. Das Ergebnis ist ein enorm authentischer Film, der mit seiner fließenden Kamera einen Sog erzeugt, dem man sich schwer entziehen kann. Und dies gerade weil man all jene Motive aus unzähligen Gangster-Filmen kennt – Filme, die fraglos auch die echten Jungs gesehen haben, auf denen Savianos Roman basiert, und die nun auf der Leinwand zu sehen sind. Sie jagen den selben zweifelhaften Idealen nach, von denen man weiß, dass sie unweigerlich zu einem schlechten Ende führen werden, was dennoch niemanden davon abhält, von ihnen zu träumen.

Giovannesi schafft ganz bewusst keine einfache moralische Distanz zu seinen Protagonisten, ähnlich wie Paolo Sorrentinos „Loro“ will er den Sog der Verführung zeigen, der in die Perspektivlosigkeit der jungen Männer hineinwirkt. So gelingt ihm ein intensives Porträt der italienischen Gesellschaft ebenso wie einer toxischen Maskulinität, die durch sie hindurch immer wieder neu produziert wird.