Passagiere der Nacht
Frankreich | 2021 | FSK TBA
Berlinale 2022
Charlotte Gainsbourg spielt hier die frisch von ihrem Mann verlassene Elisabeth, die im Paris der frühen achtziger Jahre vor neuen Herausforderungen steht. Sie muss nun sich und ihre halbwüchsigen Kinder alleine durchbringen und nach jahrelanger „Nur“-Hausfrauentätigkeit einen Job suchen. Doch die Aussichten auf dem Arbeitsmarkt sind nicht rosig.
Als gute Idee erweist es sich, ihrem Bauchgefühl zu folgen und der Moderatorin ihrer titelgebenden Lieblingsradiosendung spontan einen Brief zu schreiben. Der kommt so gut an, dass sie dort ein – wenn auch schlecht bezahltes – Jobangebot erhält. Fortan ist sie für die Annahme der Hörer-Anrufe zuständig und wählt aus, welche davon sie ihrer Chefin Vanda (Emmanuelle Béart) durchstellt. Die kümmert sich in ihrer nächtlichen Sendung um all die Schlaflosen der Hauptstadt, die dort ihre Geschichten erzählen und ihre Sorgen loswerden können. Elisabeths vorherige Verzweiflung weicht vorsichtigem Optimismus, der sich noch verstärkt, als sie zusätzlich einen Teilzeitjob in einer Bibliothek findet und sich eine zarte Liaison mit einem sympathischen Kollegen entwickelt. Von neuem Lebensmut erfüllt, erscheint es ihr selbstverständlich, auch anderen zu helfen. So bietet sie spontan zur Überraschung ihrer Kinder der mit Drogenproblemen kämpfenden jungen Ausreißerin Talulah ein Zimmer in ihrem großflächigen Apartment als Zwischenunterkunft an.
Das alles ist atmosphärisch dicht und angenehm zurückhaltend erzählt, Charlotte Gainsbourg erweist sich einmal mehr als hervorragende Charakterdarstellerin, die den Film an der Seite einer sympathischen Nebendarstellerriege trägt und ihn auch ohne große dramatische Konflikte interessant und spannend macht. Ganz nebenbei ist PASSAGIERE DER NACHT auch eine nostalgische Erinnerung an das Lebensgefühl der achtziger Jahre, als mit der Wahl Mitterrands Frankreich zu neuen linken Ufern aufbrach. Der Wahlsieg wird zu Beginn des Films euphorisch auf den Straßen gefeiert. Ähnlich wie in Jacques Audiards LES OLYMPIADES (Wo in Paris die Sonne aufgeht), beschränkt sich Mikhaël Hers auf einen kleinen District rund um die Hochhäuser von Beaugrenelle unweit des Eiffelturms. Ihm gelingt nicht nur eine warmherzige Liebesgeschichte, sondern auch ein liebevolles Stadtteilporträt mit viel Zeitkolorit.