Past LivesIn einem anderen Leben

2 Oscar-Nominierungen 2024 / Berlinale 2023

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Past Lives - 2023
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Inspiriert von ihrer eigenen Lebensgeschichte legte die südkoreanische Dramatikerin und Drehbuchautorin Celine Song ihr Regiedebüt im Wettbewerb der diesjährigen Berlinale vor. Für ihre sensible und berührende Inszenierung einer zarten Romanze auf verschiedenen Zeitebenen und Kontinenten erntete sie viel Beifall.

Die beiden eng befreundeten gleichaltrigen Kinder Young Na und Hae Sung erleben in den neunziger Jahren eine glückliche Schulzeit in Seoul. Doch als Young Nas Eltern nach Kanada auswandern, trennen sich ihre Wege. Der zwölfjährige Hae Sung bleibt zurück in Korea, studiert Maschinenbau und hört zwölf Jahre nichts mehr von seiner Schulfreundin. Diese lebt inzwischen in New York, hat ihren Namen in Nora Moon geändert und ist eine aufstrebende Autorin geworden. Eines Tages erfährt sie zufällig, dass Hae Sung im Internet nach ihr sucht. Neugierig nimmt sie über Facebook Kontakt zu ihm auf und die alte Verbundenheit stellt sich schnell wieder ein. Bald chatten sie regelmäßig auf Skype.

Doch obwohl sie sich so gut verstehen, keimt bei Nora ein gewisses Unbehagen auf. Sie mag ihr Leben in New York, ist ambitioniert und möchte ihre Karriere dort weiter ausbauen. Eine Rückkehr nach Korea kommt für sie nicht in Frage und so bittet sie Hae Sung um eine Pause ihrer fast täglichen Internet-Treffen. Diese Pause wird zwölf Jahre dauern. Als Nora an einer Künstlerresidenz in Montauk teilnimmt, lernt sie dort ihren künftigen Ehemann Arthur kennen. Die Wege zwischen ihr und ihrem Jugendfreund scheinen sich für immer zu trennen.

Doch plötzlich meldet sich Hae Sung bei ihr zurück. Er plant einen Aufenthalt in New York und möchte sie besuchen. Auf dieses persönliche Treffen der beiden steuert der Spannungsbogen des Films zu und Song gelingt es ganz wunderbar, diesen Moment zutiefst menschlich, aber ohne jeden Kitsch zu gestalten. Auch wird Arthur als Dritter im Bunde nie als Störfigur inszeniert, die dem Glück und der Wiedervereinigung der vielleicht füreinander Bestimmten entgegensteht.

Die widersprüchlichen Gefühle der beiden Protagonisten spiegeln sich in unbeholfenen Gesten, verstohlenen Blicken, einem spürbaren Unbehagen gemischt mit großer Wiedersehensfreude. „Was wäre gewesen, wenn…“ – Diese Frage schwebt über allem. Was, wenn Nora in Korea geblieben wäre? Wären die beiden dann ein Paar, hätten sie Kinder, wie wäre Noras Karriere verlaufen? Ist der Zauber der Vergangenheit nur eine nostalgische Verklärung oder hätte ein gemeinsames Leben eine Basis gehabt? Oder ist das Leben, das sie führt, das Richtige? Sind wir überhaupt Herr oder Herrin unseres eigenen Schicksals?

Im Koreanischen gibt es das Konzept des In-Yun. Es bezeichnet eine Fügung, eine schicksalshafte Begegnung mit einem Menschen, den man im vergangenen Leben schon kannte und mit dem oder der man über tausende Wiedergeburten eine zunehmend tiefe Verbindung aufgebaut hat. Nora erzählt Arthur einmal von diesem Prinzip, ohne ihm zu offenbaren, dass nicht nur ihre Begegnung mit ihm, sondern auch mit Hae Sung damit erklärt werden könnte. Zugleich stellt sie das Prinzip gleich selbst in Frage mit der ironischen Bemerkung, dessen Erwähnung sei oft nur ein Mittel, um den anderen zu verführen.

Song findet wunderschöne Bilder für die Zerrissenheit ihrer Figuren. Schon auf dem täglichen Heimweg der Kinder von der Schule wird die spätere Trennung vorweggenommen, wenn sie an einer Straßengabelung separate Wege gehen müssen. Demgegenüber steht die innige Vertrautheit der zum letzten Mal miteinander spielenden Kinder, einen Moment, den ihre Eltern ihnen als schöne Erinnerung vor der Abreise gewähren.

Past Lives überzeugt mit seinem intelligenten Drehbuch und der famos aufspielenden Schauspieler*innen. Die subtile Inszenierung mit Anklängen an Wong Kar-Wais IN THE MOOD OF LOVE machen ihn zu einem der schönsten Filme des Jahres.

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