Eine junge vom Selbstmord ihrer vergewaltigten Freundin traumatisierte Frau auf Rachefeldzug – diese Geschichte zog viele in ihren Bann und polarisierte. Sie wurde mit Preisen überhäuft und als #Metoo-Machwerk beschimpft. Nun kommt der mit dem Oscar für das beste Originaldrehbuch ausgezeichnete Film auch in unsere Kinos.

Medizinstudentin Cassie ist auf dem Weg zu einer vielversprechenden Karriere, als ihr Leben völlig aus den Fugen gerät. Ihre Freundin Nina wird auf dem Campus vergewaltigt, hat aber keinerlei Chancen, ihre Peiniger auf dem Rechtswege zur Verantwortung zu ziehen. Sie begeht Selbstmord. Cassie ist so geschockt, dass sie ihr altes Leben nicht weiterführen kann. Sie bricht ihr Studium ab, zieht wieder bei ihren Eltern ein und arbeitet als Verkäuferin in einem Coffee-Shop. 

Nachts jedoch nimmt sie auf ganz eigene Art stellvertretend für ihre Freundin Rache. Sie zieht durch die Clubs und mimt die betrunkene hilflose junge Frau. Das zieht natürlich Männer an, die ihre Situation ausnutzen wollen und sich auf einen One-Night-Stand freuen. Doch wenn sie sie abschleppen und ihr Glück versuchen, erleben sie eine unangenehme Überraschung.

Doch so vergnüglich wie es den Zuschauern zunächst erscheint, die zufrieden miterleben können, wie die übergriffigen Männer ihr blaues Wunder erleben, ist die Situation dann doch nicht. Denn bei aller Befriedigung, die Cassie aus ihrem nächtlichen Handeln zieht, ist es doch ihr eigenes Leben, das auf der Strecke bleibt. Ein Hoffnungsschimmer kommt auf, als sie ihrem ehemaligen Kommilitonen Ryan begegnet, der in sie verliebt war und ihr Avancen macht. Zögernd lässt sich Cassie darauf ein, doch Ryan ist mehr mit den Ereignissen der Vergangenheit verstrickt, als sie ahnt.

Die schwarze Komödie überzeugt mit ihren immer wieder Haken schlagenden Volten und dem reizvollen Kontrast zwischen dem ernsten Thema und der unterhaltsamen Machart, die jedoch immer wieder Schläge in die Magengrube für die Zuschauer bereit hält. Cassie rächt sich auch durchaus nicht ausschließlich an Männern. So besucht sie auch die Uni-Dekanin, die ihrer Meinung nach den Missbrauch nicht ausreichend verfolgt hat und damit zumindest eine Mitschuld an Ninas Selbstmord trägt, sowie eine befreundete Kommilitonin, die zur Mitwisserin wurde, und erteilt beiden eine Lektion, die sie nicht so schnell vergessen werden.

Der Film wurde überwiegend von Frauen realisiert, von der Regie über die Produktion durch die mit dem Indie-Film I TONYA bekannt gewordenen Schauspielerin Margot Robbie bis hin zum poppigen Soundtrack, der ebenfalls fast ausschließlich von Frauen stammt. Vielfach wurde PROMISING YOUNG WOMAN als „Me too“-Rachethriller klassifiziert, der einen Gegenentwurf bietet zum actionlastigen männlichen Revanche-Genre. Tatsächlich setzt Cassie mehr auf psychologische Kriegsführung als auf Gewalt, verpackt ihr Anliegen in pointierte Dialoge, die Spaß machen. Dazu passend gerät die Ausstattung knallbunt. „Der Film ist ein wunderschön verpackter Bonbon, bei dem man erst beim Verzehr merkt, dass er giftig ist,“ beschreibt Carey Mulligan selbst treffend ihr neuestes Werk. Sie ist es, die den Film trägt mit einer schauspielerischen Leistung, die die Verletzlichkeit wie auch die innere Stärke ihrer Figur überzeugend vermitteln kann.