VorschauSTART | 31.10.2024

Riefenstahl

außer Konkurrenz, Venedig 2024

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Riefenstahl - 2024
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Kein Wunder, dass Andres Veiel mit seinem neuen Dokumentarfilm nach Venedig eingeladen wurde. Das ist schon aus historischen Gründen naheliegend, denn hier feierte Leni Riefenstahl ihre größten Erfolge, 1935 wurde TRIUMPH DES WILLENS zum besten Dokumentarfilm gekrönt und 1938 gewann sie den Mussolini Cup für OLYMPIA. Dabei besagte das Reglement, dass Dokumentarfilme nicht im Wettbewerb starten dürfen und von daher auch nicht ausgezeichnet werden konnten. Die amerikanische Delegation reiste ab!

Für Leni Riefenstahl war es hingegen der Erfolg ihres Lebens. Damals war sie gerade mal 36 Jahre alt und schaffte die Abkehr von ihren frühen Bergfilmen hin zu Filmen, die die Schönheit, Stärke und Gesundheit menschlicher Körper feierten. Dabei entwickelte sie eine Ästhetik, die ihresgleichen suchte. In Venedig wurde sie dafür gefeiert und kam so den nationalsozialistischen Machthabern in Deutschland gefährlich nahe, wurde Goebbels Vorzeigepüppchen und bald auch Hitlers Haus- und Hof-Fotografin. Bald sollte sie auch von der Kriegsfront berichten, doch da kam sie dem faschistischen Grauen wohl zu nahe, ließ sich schnell wieder abberufen und tat zeitlebens so, als ob sie von all den Gräueltaten nichts gewusst hätte.

Nach dem Krieg behauptete sie ihr ganzes langes Leben lang – sie wurde 101 Jahre – nichts von alledem gewusst zu haben, völlig unpolitisch und nur an ihrer Kunst interessiert gewesen zu sein. Und wenn diese ihr auch alle Türen der NS-Regimes öffnete, behauptete sie, nie dazugehört zu haben: “Ich wurde nie zu irgendwas jemals eingeladen! Eigentlich hat man mein Talent immer nur ausgenutzt”, hört man sie im Film sagen. Gleichzeitig räumt sie ein, dass sie als junge Frau von so viel Aufmerksamkeit geradezu überwältigt war, und natürlich hat sie ihren Erfolg genossen und keine Sekunde hinterfragt, was sie später als eventuellen Fehler einräumte.

In siebenhundert Kisten hat sie ihren Nachlass aufbewahrt. Teils sorgfältig sortiert, teils lieblos und ungeordnet, befand er sich all die Jahre im Besitz der Stiftung

Preußischer Kulturbesitz, bis er jetzt dem Filmemacher Andres Veiel als erstem zugänglich gemacht wurde. Was er und sein Team da durchstöbert und zu einem Film montiert haben, ist in erster Linie eine wahre Fleißarbeit. Neue Erkenntnisse konnten sie aber nicht verbuchen. In Venedig räumte Veiel ein, dass sie sich immer bewusst waren, dass Riefenstahls Nachlass kein Zufallsprodukt war: “Bestimmte Sachen sollten wir dort finden und andere eben nicht.” 

Leni Riefenstahl hat in der Nachkriegszeit viele Interviews gegeben und war auch zu Gast in einigen Talkshows. Nicht um ihr Gewissen reinzuwaschen, nein, sie hat sich diese Auftritte gut bezahlen lassen und war so zeitlebens in der Lage, ihren Unterhalt zu finanzieren. In den Interviews gab sie sich kaum eine Blöße, war inzwischen eine gewiefte Selfmade-Frau, die immer dasselbe Programm abspulte und harsch werden konnte, wenn man sie hart anging, während sie ansonsten mit einer bestechenden Naivität aufwartete. Dass sie so dumm nicht gewesen sein konnte zeigt, dass sie Frau genug war, um ganz alleine Expeditionen nach Afrika auf die Beine zu stellen, wo sie später jahrelang lebte. 

Veiel trägt noch einmal in einer irren Fleißarbeit alles zusammen, was wir über Leni Riefenstahl wissen und schafft so ein umfassendes Porträt der Nazi-Künstlerin. Doch wir kommen ihr nicht näher, einen Blick hinter die Fassade ihres Lebens hat sie nie zugelassen, weshalb sie stets unnahbar bleibt.

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