Seneca

Berlinale Special Gala 2023

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Seneca - 2022
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Nach seinem packenden Weltkriegsdrama DER HAUPTMANN widmet sich Regisseur Robert Schwentke in dieser tiefschwarzen Komödie den letzten Tagen des römischen Philosophen Seneca und den Anfängen von Kaiser Neros despotischem Reich. Ein wahnwitziger Ritt in eine Welt maßloser Macht, in der Opportunismus und Eitelkeit den moralischen Kompass bestimmen.

Als Ziehvater und Vordenker des späteren Kaisers Nero ist Seneca maßgeblich am Aufstieg des selbstgefälligen jungen Tyrannen beteiligt. Der Philosoph, bekannt für seine großen Reden über Verzicht und Milde, gehört selbst zu den reichsten Männern im alten Rom. Doch als eines Tages der Schüler seines Lehrers überdrüssig wird, befehligt Nero Seneca, sich selbst zu töten. Dass sich Seneca die Pulsadern aufschneidet und dies auch seine um vieles jüngere Frau Paulina in den Suizid treibt, wissen wir seit Tacitus, doch Robert Schwentke lässt seinen Helden besonders lange bluten. Zeit für Malkovich als großer Philosoph im Furor und gegen die Tyrannei. Ist er bereit für einen ehrenhaften Freitod oder bleibt noch etwas Zeit für ein paar philosophische Ausschweifungen und spitzzüngige Lektionen?

Das an Exzess-Pointen, Splatter-Sarkasmus und Liebe zur verbalen Preziose kaum zu überbietende filmische Feuerwerk ist hochspektakulär und hochaktuell und stellt im Kern die Frage: Die intelligente Elite – Tyrannenopfer oder opportunistische Kollaborateure? Die Zeit ist wieder reif für politische Allegorien. //Berlinale.de

 

 

„Seneca, Galionsfigur der antiken Philosophie, verspricht ein gelingendes Leben in heiterer Gelassenheit, tiefenentspannt. Er empfiehlt Vernunftorientierung, Rückzug von Alltagshektik und Konsum. Er steht für Natur- und Menschenkenntnis, Selbstkritik und Selbstkultivierung, Strenge gegen das eigene Ich, Nachsicht gegenüber der Gesellschaft.

Als Erzieher des noch jugendlichen Despoten Nero rutscht Seneca in die Rolle des Staatslenkers. Wachsender Rednerruhm sorgt für Eifersucht und Anfeindung. Der Philosoph sieht sich verstrickt in mörderische politische Intrigen. Am Ende steht, wie bei Sokrates, erzwungener Freitod.

Denker mit Hang zu Selbstvergewisserung und Selbstrechtfertigung, Darstellungskünstler, Skandalfigur, Kritiker der Leidenschaften, orientiert am Ideal des stoischen Weisen. Fatalist, Pragmatiker, extrovertierter Macher, stiller Naturbetrachter. Abkehr vom struggle of life zugunsten innerer Festigung, Plädoyer für Affektfreiheit in Extremsituationen, desaströses Ende. Scheitert Seneca an den Zeitumständen oder an sich selbst?

Kann Neros Erzieher moralischer Visionär, authentisches Ideal sein? Oder stehen wir vor der Verkörperung von Widersprüchen? Ein spannungsreiches Leben vor 2000 Jahren – mit bleibender Relevanz? Ist ein Dekadenzkritiker und Prediger von Sozialaskese, der gegen ‚Brot und Spiele‘ opponiert, leinwandtauglich? Seinen Freunden hinterlässt er als einziges und kostbarstes Erbe „das Bild meines Lebens“ (Tacitus). Das Bild ist nun Kinobild. Wie wirkt es heute auf den Betrachter, den Philosophen?“ /Prof. Dr. Christoph Kann  (H.Heine-Uni Düsseldorf)

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