Sparta

Infos Vorführungen

Sparta - 2022
Informationen

Ewald ist Mitte 40 und lebt in Rumänien. Er spürt, dass in seinem Leben irgendwas nicht stimmt. Der emotionale Druck lässt ihn seine Freundin und die Stadt verlassen und in der rumänischen Einöde ein Projekt starten. Er baut ein verfallenes Schulgebäude zu einer Judoschule um, in der er sich um die Jungen des Dorfes kümmert… Nach RIMINI vervollständigt sich mit SPARTA die Geschichte zweier ungleicher Brüder, die am eigenen Leben kaputt gehen.

Der zurückhaltende Ewald ist der Bruder des heruntergekommenen Schlagerstars Richie Bravo, dessen Scheitern der österreichische Ausnahmefilmemacher Ulrich Seidl in RIMINI gezeigt hat, der schon im letzten Jahr in den Kinos gestartet ist. Um SPARTA gab es im Vorfeld eine Kontroverse. Es gab Vorwürfe, dass Seidl und sein Team die minderjährigen Darsteller nicht gut behandelt haben soll und die Eltern nicht darüber aufklärte, dass das Thema Pädophilie im Film bearbeitet wird. Seidl stellte sich den Vorwürfen und konnte sie schließlich glaubwürdig aus dem Weg räumen, indem er das Gespräch mit den Beteiligten führte, statt die Presseberichterstattung zu befeuern. 

Der Film selbst ist dabei über alle Zweifel erhaben, da er niemals spekulativ mit dem Thema umgeht. Es wird nichts gezeigt oder ausformuliert, vielmehr wirkt es wie eine dunkle Wolke, die über dem Protagonisten Ewald schwebt. Natürlich sucht dieser die Nähe zu Jungen und kümmert sich liebevoll um sie, vielleicht manchmal zu liebevoll. Wirkliche Übergriffe kommen aber nicht vor, denn den Zorn der Eltern zieht er sich dadurch zu, dass die Jungen lieber bei ihm auf seinem “Abenteuerspielplatz” sind, als zu Hause verprügelt zu werden.

Der österreichische Schauspieler Georg Friedrich brilliert dabei in der Rolles des Ewald und macht dessen Nöte und innere Dämonen spürbar und nachvollziehbar, indem er ihn als stillen und unsicheren Typen mit leiser gebrochener Stimme charakterisiert, der nur auflebt, wenn er mit den Jungen spielen kann.

Leider ist die 200-minütige Gesamtversion WICKED GAMES RIMINI SPARTA, die Ulrich Seidl auf dem Filmfestival Rotterdam 2023 präsentiert hat, hierzulande (noch) nicht verfügbar. Die Bedeutung des dementen Vaters im Heim (Hans-Michael Rehberg in seiner letzten Rolle) als Bindeglied zwischen den ungleichen Brüdern kommt dort mehr zum Tragen.

Doch auch als Diptychon funktionieren RIMINI und SPARTA und Ulrich Seidl beweist erneut, dass er menschliche Abgründe wie kein anderer filmisch ausloten kann. Wie Seidl das Unfassbare sichtbar und fühlbar macht, erläuterte er selbst im Gespräch in Rotterdam. Er erklärte anschaulich, wie er ein Höchstmaß an Authentizität erreicht, indem er chronologisch an Originalschauplätzen dreht. Die Szenerie und die Ausleuchtung plant er im Voraus mit seinem langjährigen Kameramann Wolfgang Thaler. Proben mit den Schauspieler*innen finden meist getrennt voneinander statt, um eine direkte und unvorbereitete Reaktion zu erzeugen. Eine Arbeitsweise, die Seidl dem Dokumentarfilm entlehnt hat und immer weiter ausgebaut hat. Für den Betrachter ist das nicht immer eine einfache Erfahrung, aber wie sagt er selbst so treffend: “Ich will verunsichern, weil jede Verunsicherung Fragen aufwirft und, im besten Fall, auch zu neuen Erkenntnissen führt.“

Galerie