The BooksellersAus Liebe zum Buch

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The Booksellers - 2020 Filmposter

"The Booksellers" ist auch online verfügbar.

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D. W. Young widmet sich in dieser Dokumentation einer Branche, die klassischerweise mit schrägen Gestalten assoziiert wird, welche hinter angestaubten Büchertürmen hausen und dort geheimnisvollen Tätigkeiten nachgehen. Dass dieses Klischee nicht ganz unzutreffend ist, zeigt sich an den vielen hier porträtierten Buchhändlern, die bewaffnet mit Idealismus und unerschütterlicher Liebe zum geschriebenen Wort ihre letzten Bastionen vor den allesverschlingenden Monstern der Internet-Gigantomanen Amazon & Co. verteidigen. Youngs Film ist nicht nur ein gleichermaßen faszinierender wie lehrreicher Einblick in die Tätigkeit der Antiquare, sondern auch eine romantische Liebeserklärung an das Medium Buch, das schon lange, lange vor dem Film – (geschweige denn dem Internet) existierte, und hoffentlich noch lang und länger in seiner angestammten Form weiterexistieren wird!

In den 50er Jahren residierten noch stolze 48 Buchläden auf der Fourth Avenue in New York, heute ist es nur noch einer: „The Strand“. Die drei Betreiberinnen sind Schwestern und haben das Antiquariat von ihrem Vater übernommen, der sie in die Zunft einwies. Dass sie der letzte verbliebene Buchladen der Straße sind, wo diese doch einst als New Yorker Buchmeile bekannt war, lässt die drei Schwestern wehmütig an die guten Zeiten zurückdenken, wo sie noch nicht von Broker-Unternehmen umzingelt waren. Nun werden ihnen wöchentlich im Schnitt mehrere Dutzend Angebote unterbreitet, Haus und Grundstück zu verkaufen. Summen, mit denen sie sich gleich mehrere Leben zur Ruhe setzen könnten, wenn sie wollten. Aber sie wollen nicht, denn die Arbeit ist erfüllender als alles Geld der Welt.

Andere Buchhändler haben da etwas weniger Glück. Immense Einnahme-Einbrüche, die auf die vielfach genutzten Online-Plattformen wie Amazon zurückführbar sind, zwangen sie zum Aus. Heute sitzen sie inmitten ihrer privaten Sammlungen und erinnern sich an die guten Tage, als man noch als Bücherjäger durch die Stöberkisten wühlte und unverhoffte Schätze entdecken konnte: Das Sammeln sei eine Passion, die zeitintensives Suchen und aufwändige Recherche beinhalte. Jetzt, wo man oft nur einen Klick im Suchportal von einem Buch entfernt sei, das man damals ein ganzes Leben lang suchen musste, ist der ganze Reiz dahin!
Aktuell gibt es noch Buchmessen, wo die Händler ihre Lager aufschlagen und alte Pergamente, originale Handschriften und andere Raritäten für Preise verkaufen und versteigern, die man als Laie eher bei Kunstmessen erwarten würde. Eine frühe Ausgabe von Cervantes´ „Don Quichotte“ kostet da auch gerne mal 150.000 Dollar und ein signiertes Erstauflagen-Exemplar von Ian Flemings Bond-Romanen kann für 130.000 Dollar aufwärts verhökert werden. Und selbst heute noch sind Sammler und Schatzjäger bereit, solche Summen auszugeben!

Woran sich der Wert eines Buches bemisst und wie man ihn einschätzen kann, ist ebenfalls Thema. Kurze Exkursionen in die handverlesende Kunst der Begutachtung von Einbänden, Illustrationen und Papierqualität gewähren Einblicke in eine editorische und regelrecht kunsthistorische Wissenschaft, für die es nicht hohe Bildung, sondern auch Talent braucht: Händler wie das weibliche Duo Rostenerg & Stern oder der Londoner Antiquar A. S. W. Rosenbach sind in puncto Editionskunst echte Legenden. Bei Auktionen waren sie in der Lage, Preise für die gehandelten Bücher zu erzielen, die Weltrekorde brachen.

Bücher sind ein unschätzbar wertvolles Kulturgut, in dem Gedanken in ihrer vielleicht pursten und dichtesten Form komprimiert sind, um potenzielle Leser auf introspektive Reisen in die Welt der Fiktion, des aktiven Denkens und des Wissens einzuladen. Egal wie gut oder wie schlecht ein Buch ist, in der Welt der Antiquare gilt es als Frevel, seine Tassen auf den quasi heiligen Artefakten abzustellen. Wem vorher nicht klar ist, wieso, dem wird der Grund dafür spätestens im Verlaufe dieser Doku bewusst. Genauso wie die wichtige Arbeit, die diese durch eine seltene Passion angetriebenen Menschen zu Archivaren des kulturellen Gedächtnisses erhebt. Dem ein oder anderen mag so eine Tätigkeit im Zeitkontext von Kindle und anderen vermeintlich praktikableren Leseutensilien als verschrobenes Hobby erscheinen, doch hier wird wachgerufen, dass Bücher nicht nur gebündeltes, bedrucktes Papier sind, sondern als Symbole des Fortschritts und humaner Werte fungieren. Nicht umsonst erschrecken noch heute Bilder von Bücherverbrennungen und erzeugen Reminiszenzen an barbarische Untaten.

Von den frühen Zeiten bis in die Gegenwart wird ein differenziertes Bild über das Geschäft des Antiquars gezeichnet, wobei auch genderpolitische Aspekte dargestellt werden, denn der antiquarische Buchhandel ist auch nach wie vor ein zu über 80% männerdominiertes Gewerbe. Zu Wort kommen etablierte und angehende Händler und Schriftsteller, die die eigene Relevanz und Zukunftsperspektiven reflektieren. Dabei wird auch Raum für vorsichtigen Optimismus gelassen: beispielsweise beobachten viele, dass die 40+ Generation zwar überwiegend auf digitale Formen des Lesens umgestiegen ist, sich aktuell aber gerade unter jüngeren Menschen ein Rückwärtstrend zur althergebrachten Rezeption konstatieren lässt.

D. W. Youngs „The Booksellers“ ist ähnlich wie auch Frederick Wisemans vor zwei Jahren erschienene Dokumentation „Ex Libris – The Public Library in New York“ ein sehr liebevoll-engagierter Einblick in das aktuelle Nischendasein des antiquarischen Wesens. Dass man nach den interessanten Erörterungen der unbestechlichen Buchhändler und ihren Hymnen auf die Kraft der Literatur selbst so richtig Lust bekommt, sich in labyrinthisch angelegte Bibliotheken zu begeben und in alten Wälzern zu schmökern, ist nur eine von vielen Anregungen, die man hier bekommt. Besseres kann eine Dokumentation im Grunde doch gar nicht leisten, oder?