The Last Showgirl
Vereinigte Staaten | 2024 | FSK TBA

Pamela Andersons Comeback als ernstzunehmende Schauspielerin: ungeschminkt, verbraucht und umwerfend authentisch. In der feministisch angelegten Rolle eines alternden Showgirls spielt sie sich gewissermaßen selbst und bricht einem ohne Umschweife das Herz.
Shelly steht seit 30 Jahren jeden Abend mit der „Razzle Dazzle“-Show auf einer Bühne in Las Vegas und lässt die Hüllen fallen. Früher der unangefochtene Star im Mittelpunkt und auf dem Poster, tanzt sie inzwischen aufgrund ihres Alters in der letzten Reihe und auch vor der Bühne sitzt nur noch ein trauriger kleiner Haufen. Doch die Show ist alles, was sie hat. Als sie erfährt, dass die Show abgesetzt werden soll, bricht für sie eine Welt zusammen. Zum ersten Mal seit Ewigkeiten muss sie zu Castings gehen. Doch überall wimmelt es nur so von viel jüngeren Kolleginnen, die sie mit Leichtigkeit links überholen. Und auch die Shows sind heute ganz anders. Ausgerechnet jetzt taucht auch noch ihre erwachsene Tochter auf, um die sie sich nie kümmern konnte, und macht ihr Vorwürfe. Auf einen Schlag konfrontiert mit ihrem ganzen Leben und ihren Entscheidungen, muss sie sich ganz neu finden…
Pamela Anderson, das Baywatch-Babe, bekannt aus der gleichnamigen Fernsehserie Anfang der Neunziger mit großer Oberweite im knappen roten Badeanzug, als feministische Ikone? Das funktioniert: Herzzerreißend echt stolpert die mittlerweile Mittfünfzigerin, abgeschminkt und wie aus einem Traum erwacht, durch die karge Realität jenseits des Rampenlichts. Naiv wie ein kleines Mädchen schwärmt sie von vergangenem Glamour (unbedingt im Original hören!) und tanzt unbeholfen und völlig unbeachtet mit geschlossenen Augen zur Musik im Ohrstöpsel auf dem Bürgersteig. Gia Coppola, Enkelin des großen Francis Ford (und Nichte von Sofia), die mit dem Film ihren ersten großen Kinowurf hinlegt, fängt all das mit großer Liebe ein. Mit passend wackeliger Handkamera und die meiste Zeit ganz nah dran, bannt sie Anderson auf ebenso alt wirkenden grobkörnigen Film. Ihr zur Seite, als einzige Verbündete, stellt sie die großartige Jamie Lee Curtis, auch schon Mitte sechzig, als nicht weniger verwittertes, wenn auch tougheres Cocktailgirl, kunstgebräunt, zu stark geschminkt und bald genauso ausgemistet. Dass die Welt die beiden ausgenutzt hat, sie nur so lange gebrauchen konnte, wie ihre Beine „knackig“ waren, und sie nun eiskalt auf die Straße spuckt, ist offensichtlich. Doch Coppolas Film erschöpft sich nicht in dieser einfachen Feststellung. Seine wahre Größe liegt in ihrem Mitgefühl für ihre Figuren: Shelly und ihre Freundin, aber auch z.B. Eddie, der bärige, tätowierte Cowboy, der die Show seit Jahren managt – sie alle sind keine großen Helden, sondern ganz einfache Leute mit bescheidenen Zielen. Sie lieben das Schöne und, sich schön zu fühlen, das Glitzern der Kostüme und den künstlichen Pomp unterm Scheinwerfer. Etwas anderes haben sie nie kennengelernt. Dass das nicht ihr Fehler ist, sondern allenfalls der des Systems, dem sie auf den Leim gegangen sind, muss auch Shellys Tochter, die eine andere Generation Frau verkörpert, erst einmal lernen. Für sie ist es nachvollziehbar zunächst ein Schock, wofür ihre Mutter sie im Stich gelassen hat. Ein wunderbar empathisches und sozialrealistisch unkitschiges Drama, wie es in den USA nur independent entstehen kann.


