The Sisters Brothers

Silberner Löwe Venedig 2018

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The Sisters Brothers - 2018 Filmposter
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Ausgerechnet das amerikanischste aller Genres hat sich der preisgekrönte Franzose Jacques Audiard („Der Geschmack von Rost und Knochen“) für sein englischsprachiges Debüt ausgesucht: John C. Reilly und Joaquin Phoenix ziehen darin als die „Sisters Brothers“ zu Pferde durch den Wilden Westen. Doch anstatt die Figur des Outlaws zu verklären, inszeniert Audiard eine originelle Komödie, in der mehr pointierte Dialoge als Kugeln verschossen werden. Ausgezeichnet mit dem Silbernen Löwen für die Beste Regie überzeugt dieser moderne Western vor allem durch das tolle Zusammenspiel seiner Protagonisten.

Wie man das uralte Genre gekonnt neu sattelt, zeigt Frankreichs regelmäßig preisgekrönter Regisseur Jacques Audiard, der mit 66 Jahren sein Hollywood-Debüt mit Starbesetzung gibt.

John C. Reilly und Joaquin Phoenix geben im Wilden Westen anno 1851 die berüchtigten Revolverhelden-Brüder Eli und Charlie, besser bekannt als The Sisters Brothers. Der aufbrausende Charlie bechert bisweilen ein bisschen viel, sein älterer Bruder gibt gern den Grübler. Beide verbindet ein traumatisches Verhältnis zum verstorbenen Vater. Für den mysteriösen „Commodore“ soll das Duo den Chemiker Hermann Kermit Warm (Riz Ahmed) aufspüren, der eine Wunderformel für Goldwäsche gefunden haben will. Auf dessen Suche macht sich gleichfalls John Morris (Jake Gyllenhaal). Eigentlich soll er den Erfinder bis zum Eintreffen der Killer-Brüder festhalten. John jedoch nutzt seinen Vorsprung lieber für ganz eigene Pläne. Beim Plaudern entdecken Jäger und Gejagter ihre Sympathien. „Für mich ist das Gold nur das Sprungbrett, um eine neue Gesellschaft zu gründen, die sich nicht dem Profit widmet“, schwärmt Hermann. Das trifft voll ins Herz des melancholischen Häschers: „Ich bin 35 Jahre alt und mein Leben ist wie ein leerer Zylinder!“. Wie einst in „Brokeback Mountain“, entdeckt Jake Gyllenhaal als sensibler Cowboy abermals die Vorzüge wahrer Männerfreundschaft, die diesmal freilich rein platonisch bleibt.

Die Sisters-Brüder machen derweil Zwischenhalt in San Francisco. „Das ist Babylon!“ staunt man nicht schlecht und gönnt sich prompt ein Luxus-Hotel mit warmem Wasser und WC. „Etwas Komfort in unsicheren Zeiten,“ schwärmen die Revolverhelden und genießen die Erfindung des Zähneputzens. Der kleine Streit über die berufliche Zukunft wächst sich zwar zur mittleren Familienkrise aus, dennoch gelingt es dem Duo mit Leichtigkeit, den Chemiker samt seinem neuen Kumpel aufzuspüren und zu überrumpeln. Als die Jäger plötzlich selbst zu Gejagten werden, helfen nur noch vereinte Kräfte gegen die Übermacht der Angreifer. Bleibt abzuwarten, was es mit der geheimnisvollen Wunderformel für die Goldsuche tatsächlich auf sich hat? Und was der mysteriöse Commodore (Gastauftritt Rutger Hauer) zu alledem meint?

Bei seinem ersten Hollywood-Ausflug macht es Cannes-Stammgast Jacques Audiard sichtlich Vergnügen, den guten alten Western lässig aufzubürsten. Wortkarge Machos sind von gestern, hier plappern die Protagonisten gern und philosophieren viel. Männer, die traumatisiert auf ihre Väter starren. Die von einer Gesellschaft ohne Gier träumen, in der das Kollektiv sein ganzes Gold in die Erziehung steckt. Die bei Prostituierten einen Korb bekommen „wegen zuviel Zärtlichkeit“. Die neugierig Zahnbürsten ausprobieren. Oder die als knallharte Killer wie kleine Kinder über Ohrfeigen heulen.

Wie in seinen erfolgreichen Vorgängern EIN PROPHET oder DHEEPAN (DÄMONEN UND WUNDER) interessiert sich Audiard auch hier für randständige Figuren an der Grenze zwischen Gesetz und Unterwelt und wirft als Außenseiter einen überraschend humanistischen Blick auf den Wilden Westen. Spürbaren Spaß hat dabei das Herren-Quartett an seinen Figuren. Phoenix und Gyllenhaal kokettieren genüsslich mit ihrem Coolness-Image, derweil der vielfach zum Nebendarsteller verdammte Reilly (zugleich Produzent) nun als Revolverheld mit Sinnkrise zur Hochform auflaufen und sogar feminine Seiten zeigen darf: Im Western was Neues!