Und der Zukunft zugewandt

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Und der Zukunft zugewandt - 2019 Filmposter
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Ein weithin unbekanntes Kapitel der jüngeren deutschen Vergangenheit erzählt dieses sorgfältig inszenierte Drama als Geschichte über Idealismus und den real existierenden Machtmissbrauch. Zugleich als Story über eine starke Frau, die bis zur Selbstverleugnung an ihre Visionen einer besseren Welt glaubt. Exzellent gespielt bis in die Nebenrollen, entwickelt sich eine spannende, frei nach wahren Begebenheiten erzählte Geschichtsstunde, die das Publikum kaum kalt lassen dürfte.

„Heute ist Lydias elfter Geburtstag. Ich darf die Hoffnung nicht aufgeben!“, notiert Antonia (Alexandra Maria Lara) in ihr Tagebuch. Gemeinsam mit Tochter Lydia (Carlotta von Falkenhayn) und ihrem Ehemann wird die junge Frau unschuldig in einem sowjetischen Gulag gefangen gehalten. „Noch zwei Jahre, das schaffen wir auch noch“ – ihr Mann schafft es nicht. Mit ihrem schwerkranken Kind kehrt die Witwe 1952 in die DDR zurück. Im kleinen Fürstenberg sorgt die Partei schnell für eine schöne Wohnung, eine gute Arbeitsstelle im Haus der Kultur sowie die Behandlung von Lydia. Sogar einer der ersten Fernsehapparate wird Antonia geliefert. Als Gegenleistung erwartet SED-Kreisleiter Silberstein (Peter Kurth), dass die Genossin strengstes Stillschweigen über ihr erlittenes Leid im sowjetischen Bruderstaat bewahrt. Wie zwei weitere heimgekehrte Opfer stalinistischer „Säuberungsaktionen“, fügt sich die überzeugte Kommunistin der Parteiräson. Schließlich hegt die Idealistin die große Hoffnung, ihre Heimat werde sich bald zum sozialistischen Staat mit menschlichem Antlitz entwickeln. Davon träumt auch Konrad (Robert Stadlober), der Doktor ihrer Tochter. Für die neue Vision einer besseren Welt, lässt der Arzt sogar die familiäre Praxis in Hamburg zurück. Nicht nur politisch entdecken Konrad und Antonia immer mehr Gemeinsamkeiten. Mit Stalins Tod kommt es zur kleinen, gleichwohl dramatischen Wende. Als Konrad sich wundert, dass bei Antonia die TV-Übertragung der Trauerfeier mit Sekt begossen wird, erzählen deren Freundinnen spontan von ihrem Schicksal im Straflager. Der Arzt kann diese Geschichte kaum glauben und fragt beim befreundeten Parteileiter nach. Genosse Silberstein wiegelt wortreich ab. Danach greift er zum Telefon – die Folgen seines Anrufs werden fatal sein.

Bernd Böhlich, einst Regisseur beim DDR-Fernsehen, später zweifacher Adolf-Grimme- Preisträger und kreativer Vater von TV-Dorfpolizist Horst Krause, präsentierte sich im Kino bislang zwar nur wenig, dafür mit prominenter Besetzung. Mit Axel Prahl und Katharina Thalbach entstand vor zwölf Jahren die Tragikomödie „Du bist nicht allein“, für „Bis zum Horizont, dann links!“ standen Otto Sander und Angelica Domröse vor der Kamera. Überzeugend gerät auch diese Schauspiel-Riege. Das Drama mag in der Dramaturgie, vor allem anfangs, etwas konventionell gestrickt ausfallen. Die gute alte lineare Erzählweise ist freilich per se ja noch nichts Schlechtes, zumal wenn damit Zeit für die Sorgfältigkeit der Inszenierung bleibt. Der vielfache „Tatort“-Macher Böhlich kann auch durchaus Suspense. Als die Stasi überraschend an der Türe klingelt und Antonia gemeinsam mit Konrad die Flucht ihrer Tochter einfädeln muss, kommt fast Spannung à la „Der zerrissene Vorhang“ auf. Ein Blick zurück im Zorn. Auf idealistische Hoffnungen für einer besseren Welt und neue Visionen. Auf Abgründe realsozialistischer Apparatschiks. Sowie das Scheitern von Systemen. Eine packende Kinogeschichtsstunde für Diskussionen!