Wiedereröffnung unserer Kinos

Liebe Filmfreund*innen,

als wir Anfang November zu Beginn des Lockdown Light unsere Kinos schließen mussten, geschah dies mit der Aussicht auf niedrigere Inzidenzen und eine voraussichtliche Wiedereröffnung zu Weihnachten. Dass daraus nichts geworden ist, haben wir alle erfahren müssen, ja selbst die Verschärfung des Lockdowns im Dezember zieht immer noch keine geringere Anzahl an Neuinfektionen nach sich. Dass man unter diesen Bedingungen die Kinos nicht öffnen kann, ist evident. Damit fallen für uns nach einem völlig verkorksten letzten Jahr auch die besucherstärksten Monate im neuen Jahr weg. Überleben können wir das nur mit Hilfe vom Staat und Ihnen, unserem Publikum. Doch beinahe noch wichtiger ist die moralische Unterstützung, die uns von allen Seiten zuteil wird. Diese macht uns klar, dass wir geschätzt und gebraucht werden und dass es wohl der Albtraum unserer Zuschauer wäre, wenn nachdem all dies endlich überwunden ist, es den Italiener um die Ecke und das geliebte Programmkino nicht mehr geben würde. Deswegen ist all Ihre Unterstützung und Wertschätzung für uns auch ein Auftrag, die Kinos baldmöglichst wieder zu öffnen und ein möglichst sicheres Filmerlebnis möglich zu machen. Darauf warten wir genauso sehnsüchtig wie Sie, und wenn die Fallzahlen im Moment einfach nicht sinken wollen, so hoffen wir auf das kommende Frühjahr mit wärmeren Wetter und eine immer weiter fortschreitende Durchimpfung der Bevölkerung, die ein unbeschwertes Kinoerlebnis wieder möglich machen sollten.
Aber wie könnte eine Wiedereröffnung der Kinos aussehen und wann könnte dies endlich wahr werden? Der erste Lockdown hat gezeigt, dass die Erlaubnis zum Kinobetrieb von der Politik ziemlich kurzfristig erteilt werden wird. Das könnte zum Beispiel so aussehen, dass wir Ende März erfahren, dass wir im April wieder spielen dürfen. Die Kinos wieder aufzuschließen und das Personal aus der Kurzarbeit zu holen, sollte kein Problem sein, immerhin mussten wir bisher noch niemanden entlassen. Aber Kino braucht mehr als nur einen Ort, wo es stattfinden kann. Kino braucht gute Filme und Verleiher, die sich eine clevere Marketing-Strategie überlegt haben. Das geht nicht in ein paar Tagen, dafür braucht es in der Regel 4-6 Wochen. Die neuen Filme müssen der Presse vorgestellt werden, Interviews organisiert und eine Werbekampagne geplant werden. Wenn es dann noch eine Kinotour mit den Filmschaffenden zum Filmstart gibt, ist die Promotion perfekt. Aber all dies kostet viel Geld und die Verleiher gehören genauso wie die Produzenten nur zu den mittelbar Betroffenen des Lockdowns, was sich in deutlich geringeren Staatshilfen niederschlägt.
So scheint jetzt schon sicher zu sein, dass selbst wenn die Kinos im April wieder geöffnet wären, wir keine zugkräftigen neuen Filme hätten. Zwar gibt es von den letzten Festivals in Berlin und Venedig, die 2020 immerhin noch stattfinden konnten, noch einige Perlen in den Portfolios der Verleiher (worüber ich demnächst berichten werde), doch ob sie diese sogleich ohne große Kampagne in die Kinos bringen werden, scheint fraglich. Zu desaströs waren die Ergebnisse von UNDINE und BERLIN ALEXANDERPLATZ, mit denen man nach dem ersten Lockdown genau so verfahren ist.
Auf den großen Festivals werden die großen Filmkunstfilme geradezu geboren. Von hier aus treten sie mit oder auch ohne Auszeichnung ihre Reise um die Welt an. Aber auch hier sieht es gerade nicht rosig aus. Das erste internationale Filmfestival in Sundance ist nur online zu erleben und das auch nur in Amerika. Auch die Berlinale hat schon ihren Präsenzteil in den Sommer verschoben. Einen genauen Termin gibt es noch nicht. Kein Wunder, denn der wird von Cannes abhängen, das normalerweise Mitte Mai stattfindet, aber schon Ausweichtermine kommuniziert hat. Was also im Sommer ins Rollen kommen wird, ist die Festival-Maschinerie, die viele Filme für einen sicherlich hochinteressanten Kino-Herbst präsentieren wird.
Bis dahin werden wir uns mit kleinen – nicht unbedingt schlechteren – Filmen begnügen müssen, die Verleiher auf den Markt bringen werden, die der unmittelbaren Konkurrenz finanzstarker Majors aus dem Weg gehen wollen. Aber wer weiß, vielleicht verändert Corona wirklich unser Verhalten: Denn wie sich ein jeder entscheiden muss, ob er Filme weiter streamt oder sie demnächst auch wieder im Kino anschauen will, könnte sich auch die Filmauswahl künftiger Zuschauer verändern, weg von Serials und Blockbustern, wo man vorher schon weiß, was einen erwartet, zu kleinen, unbekannteren Film, die es zu entdecken lohnt. Sicherlich eine etwas idealisierte Vorstellung, aber keine, die das Kino nicht schon erlebt hätte.
Doch vielleicht kommt ja auch alles ganz anders. Immerhin steht immer noch der Starttermin des neuen Bond-Films KEINE ZEIT ZU STERBEN auf dem 31. März. Allen Unkenrufen zum Trotz hat sich der Verleih bisher nicht dazu bewegen lassen, den Termin abermals zu verschieben. Und tatsächlich ist dies eine Hoffnung, wie sich eine Wiedereröffnung der Kinos erfolgreich gestalten ließe. Denn für diesen Film braucht es keinen großartigen Vorlauf, er ist eh in aller Munde, und die wilden Spekulationen darüber, wann er endlich im Kino zu sehen sein wird, scheint zu implizieren, dass man sich ihn auch anschauen wird. Solch ein weltweites Ereignis würde das Kino wieder in das Bewusstsein der Menschen bringen und wäre eine Möglichkeit für einen erfolgreichen Restart. Am Besucherverhalten hätte sich dann zwar nichts geändert, aber vielleicht wollen wir das ja auch genauso. Wie die Kinowelt nach Corona aussehen wird, wird der Zuschauer bestimmen.

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