Beau is Afraid
Vereinigte Staaten | 2023 | FSK 16
Der Stoff dieses Films ist bekannt: Richard Kelly (SOUTHLAND TALES) hat ihn 2006 verfilmt, James Gray 2016 (DIE VERSUNKENE STADT Z), Darren Aronofsky 2017 mit MOTHER! und zuletzt David Robert Mitchell mit UNDER THE SILVER LAKE. Nun versucht sich Ari Aster an dem Stoff, der bisher durch HEREDITARY und MIDSOMMAR, zwei viel beachtete Horrorfilme, aufgefallen ist. Er inszeniert die albtraumhafte Odyssee eines Muttersöhnchens mit Bildern, wie wir sie noch nicht gesehen haben.
Joaquin Phoenix spielt Beau, das Muttersöhnchen. Er lebt allein in einem Apartment einer namenlosen Stadt und schlägt sich mit Schuldgefühlen, Angstzuständen und allerlei anderen Psychosen herum. Er ist fest entschlossen, sein Zuhause zu verlassen, um endlich einmal seine Mutter zu besuchen. Der Flieger ist gebucht, der Koffer gepackt, da fällt ihm ein, dass er etwas vergessen hat. Als er zurückkommt, ist nicht nur sein Koffer weg, sondern auch sein Wohnungsschlüssel, den er im Schloss hat stecken lassen. Verzweifelt ruft er seine Mutter an, doch ans Telefon geht ein fremder Mann, der sie gerade tot in ihrer Wohnung aufgefunden hat. Ein Schock, und Beau greift zu dem neuen Medikament, dass ihm sein Psychiater verschrieben hat, nicht ohne ihm einzuschärfen, dass es unbedingt mit Wasser eingenommen werden muss. Kaum hat er es geschluckt, stellt er fest, dass er kein Wasser im Haus hat und das Leitungswasser gerade abgestellt worden ist. Bei Google findet er Verweise auf Fälle mit Todesfolge. Also macht er sich auf, um im Shop gegenüber eine Flasche Wasser zu kaufen. Ein Unterfangen, das er unbedingt vermeiden wollte, denn draußen lauert der Mop. Obdachlose kampieren und streiten sich, ein nackter Mann läuft drohend mit einem Messer herum und sticht wahllos auf seine Mitmenschen ein. Eine Leiche liegt seit Tagen auf der Straße. Gerade noch tönt aus dem Lautsprecher der Hinweis der Hausverwaltung, die Haustür immer verschlossen zu halten, da macht sich Beau auf zum gefährlichen Wassereinkauf auf der anderen Straßenseite. Da er aber keinen Hausschlüssel mehr hat, muss er alle Türen anlehnen und schafft es glücklich in den Shop auf der anderen Seite. Doch als er zurück will, haben die Obdachlosen längst das Apartmenthaus gestürmt und seine Wohnung besetzt.
Dies ist nur die Anfangssequenz eines dreistündigen Films, der Beaus Odyssee zur Beerdigung seiner Mutter beschreibt. Sie wird nicht ohne Verletzungen und körperliche Blessuren abgehen, doch die sind gar nichts im Vergleich zu seinen psychischen Ängsten und Wahnvorstellungen. Ari Aster hängt hier einen Alptraum – wie bei einer Perlenschnur – an den anderen und gibt uns keine Zeit, mal durchzuatmen. Mit subjektiver Kamera und vielen surrealen Elementen, lässt er uns immer im Unklaren darüber, was Traum und was Wirklichkeit ist. So folgen wir Beau in einer atemlosen Tour de Force in seinem Wahn und lernen ihn allmählich besser kennen.
Joaquim Phoenix ist derzeit vielleicht der einzige Schauspieler, der diese Rolle so intensiv verkörpern kann. Ziemlich uneitel mit schütterem Haar und kleinem Bäuchlein gibt er den von fremden Mächten Getriebenen, der zwischen einem fehlenden Vater und einer Helikoptermutter zerrieben wird und es nie geschafft hat, erwachsen zu werden. Ein wenig erinnert Phoenix’ Performance an die, die er in JOKER von Todd Phillips hinlegte und damit den Ursprung von Massenbewegungen wie damals ‘Instinction Rebellion’ erfahrbar machte. BEAU IS AFRAID entzieht sich einer solchen Interpretation, er ist ein alptraumhafter Psychothriller, der nicht aufhören will und eher ein Hamsterrad beschreibt, aus dem es kein Entkommen gibt.