Der Fremde
Frankreich, Belgien, Marokko | 2025 | FSK 12
82. Internationalen Filmfestspiele von Venedig 2025

Während sein wunderbarer WENN DER HERBST NAHT noch in unseren Kinos lief, stellte François Ozon in Venedig seinen neuen Film vor. Mit DER FREMDE verfilmte er Albert Camus’ Klassiker der Weltliteratur, was ihm nach eigenem Bekunden einigen Mut abverlangte. Schließlich ist es das meistgelesene Buch in Frankreich und fast alle seine Landsleute kennen es und werden seinen Film mit dem Original vergleichen.
“Diese Vorstellung bewirkte bei mir einen enormen Respekt. Aber am Ende war mein Interesse an dem Stoff stärker als meine Bedenken”, erklärte er in Venedig.
Tatsächlich gibt er dem Roman eine eigene Note. In grobkörnigem Schwarzweiß gedreht versucht er, dem unscheinbaren Angestellten Meursault näherzukommen. Der junge Mann zeigt keinerlei Emotionen, obwohl seine Mutter gerade gestorben ist, er sich frisch verliebt hat und nun wegen Mordes an einem Einheimischen vor Gericht steht. Das alles scheint ihn nicht zu bewegen, bei der Beerdigung kann er nicht trauern, seiner Freundin nicht seine Liebe gestehen und für den Mord gibt es nicht einmal ein Motiv. Diese Emotions- und Interesselosigkeit ist es am Ende, die ihm vor Gericht zum Verhängnis wird.
Doch während Camus den Handlungsort Algier nur als Hintergrund benutzt, spiegelt Ozon den französischen Kolonialismus jener Zeit wider. Seine Schwarzweiß-Bilder bringen uns nicht nur die 1930er Jahre näher, er nutzt sie auch für einige wunderschöne künstlerische Aufnahmen und schafft so ein virtuoses Werk von zeitloser Relevanz.


