Extrawurst
Deutschland | 2026 | FSK TBA

Das Theaterstück „Extrawurst“ hat in den letzten Jahren bundesweit große Erfolge gefeiert und avancierte in der Spielzeit 2021/2022 zum meistgespielten Stück Deutschlands. Der von Publikum und Presse gefeierte Theaterhit der Comedy-Autoren Dietmar Jacobs (STROMBERG, PASTEWKA) und Moritz Netenjakob (STROMBERG, LADYKRACHER) wurde nun mit einem großartigen Schauspielerensemble fürs Kino verfilmt.
Nein, Sönke Wortmann hat mit dieser Produktion nichts zu tun, auch wenn alles an seine Filme DER VORNAME, DER NACHNAME oder DER SPITZNAME erinnert. In uns wohlbekannter Kammerspiel-Manier treffen hier nicht gute Freunde, sondern die Mitglieder des Tennisclubs Lengenheide bei der jährlichen Mitgliederversammlung aufeinander. Die Tagesordnungspunkte sind unter der versierten Führung des langjährigen Vorsitzenden Heribert (Hape Kerkeling) schnell abgehakt, schließlich will man zügig zum angenehmen Teil des Abends übergehen. Aber halt unter Verschiedenes ist noch was: Die Anschaffung eines neuen Grill für das beliebte Sommerfest, der sich sicher schnell rechnen würde.
Doch die Abstimmung läuft nicht so fix wie geplant, gibt es doch den Vorschlag, einen zweiten Grill für das einzige türkischstämmige Mitglied des Vereins zu kaufen. Schließlich kann der ja nicht seine Würstchen auf einem Grill vollgepackt mit Schweinefleisch zubereiten. Der woke gemeinte Vorschlag wirbelt allerhand Staub auf und bringt die Gefühle der eben noch gelangweilten Mitgliedergemeinschaft zum Kochen. Die gut gemeinte Idee lässt Gutmenschen und Hardliner, Atheisten und Gläubige, Deutsche und Türken frontal aufeinander stoßen. Voreilig formulierte Sätze und gern angenommene Missverständnisse legen Stück für Stück einen Alltagsrassismus frei, wie wir ihn nie öffentlich zugeben würden. Plötzlich spielt es keine Rolle mehr, dass man seit Jahrzehnten im selben Ort lebt oder gemeinsam zur Schule gegangen ist. Die gegenseitigen Vorwürfe werden immer respektloser und geradezu absurd. Herbert, der Vorsitzende, normalerweise der Chef im Ring, ist kleinlaut und versucht zu vermitteln, doch wenn er auf der einen Seite die Wogen glättet, entsteht auf der anderen Seite ein anderer Sturm. Allen wird schnell klar: Es geht um viel mehr als einen Grill…
Dies ist in erster linie Dank der starken Vorlage und der pointierten Texte der beiden Theater-Autoren erst einmal ungeheuer witzig, aber Regisseur Marcus H. Rosenmüller, das bayerische Regie-Talent, der in jedem Genre zuhause ist, gibt der seichten Komödie einen tieferen Hintergrund. Zunächst setzt er auf die Beliebtheit seiner Schauspieler, gibt ihnen den Raum, sich zu entfalten und ihre Fans zu begeistern. Sie lösen das in sie gesetzte Vertrauen durch sehr viel Kurzweil ein, können dem Film aber auch eine gewisse Tiefe geben. Ihnen gelingt es, die Mitgliederversammlung als Metapher auf unsere Demokratie zu inszenieren und ad absurdum zu führen. Detailverliebt führen sie uns vor, dass jede Demokratie von unterschiedlichen Meinungen lebt, und dass die auch leidenschaftlich vorgebracht und diskutiert werden dürfen. Am Ende aber steht immer eine Abstimmung, und deren Ergebnis hat jeder zu akzeptieren. Und tatsächlich, dieser letzte Punkt funktioniert nicht mehr so richtig in unserer Demokratie. Denn egal wie abgestimmt wird, wenn der Türke keinen eigenen Grill bekommt, dann grenzen wir ihn aus, auch wenn er in Deutschland geboren wurde, nie einen eigenen Grill haben wollte und das auch nie gefordert hat. Er will keine Extrawurst, sondern lieber als Deutscher akzeptiert werden.


