Höhere Gewalt

Cannes 2014

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Höhere Gewalt - 2014
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Regisseur Ruben Östlund, der bereits 2011 mit seinem dritten Spielfilm "Play" bei den Filmfestivalspielen von Cannes auf sich aufmerksam machte, defragmentiert hier das klassische Bild einer modernen Familie vor dem Hintergrund eines vorerst idyllischen Schiurlaubs in den Alpen. Der Urlaubsentspannung wird ein jähes Ende bereitet, als eine Lawine heran rollt, während die Eltern und Kinder auf der Terrasse eines Restaurants frühstücken. Die Katastrophe bleibt aus, doch während die Mutter ihre Kinder schützen will, sucht der Vater instinktiv das Weite. Fortan muss er sich mit Schuldgefühlen, Scham und den Vorwürfen seiner enttäuschten Ehefrau und den Kindern plagen.

Alles beginnt mit ein paar hübschen Familienfotos zu Beginn des Schiurlaubs: Eltern und Kinder lachen, eingemummelt in ihren Schneeanzügen – alles ist harmonisch und unbeschwert. Am zweiten Tag sitzt die Vorzeige-Familie auf der Terrasse des Hotelrestaurants, als plötzlich eine Lawine vom Berg herab rollt. Mutter Ebba (Lisa Loven Kongsli) packt die Kinder, kann sich aber nicht rühren. Vater Tomas (Johannes Bah Kuhnke) packt sich hingegen sein Handy, ergreift instinktiv die Flucht und lässt die seinen im Stich. Das befürchtete Unglück bleibt glücklicherweise aus, niemand kommt zu Schaden, doch als Tomas an den Tisch zurückkehrt, ist die Stimmung gekippt. Ebba macht ihm stille Vorwürfe und Tomas schämt sich seines eigenen Verhaltens wegen. Als Ebba ihn während eines gemeinsamen Essens mit Freunden mit seiner mangelnden Courage konfrontiert, leugnet Tomas seine Flucht, anstatt diese mit Eigenironie zu gestehen und verschlimmert die Situation dadurch. Die Feigheit seiner Handlung lastet auf Ebba und droht nicht nur den Urlaub kaputtzumachen, sondern beginnt auch die Ehe der beiden auf eine harte Probe zu stellen. Inspiriert wurde Regisseur Östlund, welchem auch das Drehbuch des Filmes zu verdanken ist, von wahren Vorkommnissen, als ein schwedisches Paar während eines Urlaubs in Lateinamerika in einen Schusswechsel geriet und der Mann sich intuitiv in Sicherheit brachte, während er seine Frau schutzlos zurückließ. „Höhere Gewalt“ ist nicht nur ein einfaches Drama, welches das Konstrukt des klassischen Familienbildes hinterfragt, sondern zudem mit schwarzem, nordischen Humor durchsetzt, der diesen Film ebenso zu einer pointierten, bissigen Komödie macht. Dem Skript und dem exzellenten Spiel der Darsteller ist es zu verdanken, dass das Thema der Rollenbilder nicht nur oberflächlich hinterfragt wird, sondern letztendlich eine sehr kluge Auseinandersetzung mit dem Thema darstellt, über welche Paare nach dem gemeinsamen Kinobesuch sicherlich noch hitzig diskutieren werden. Und nicht nur inhaltlich, sondern auch formal ist Östlund großes Kino gelungen. Die majestätischen Aufnahmen des Alpen-Panoramas, oder die begleitenden Kamerafahrten während der Schi-Sequenzen stellen Östlunds außerordentliches, visuelles Gespür unter Beweis. Auch sonst bekommt der Film durch seine oftmals statische Fotografie und das kühle, sterile Ambiente des Hotels, in dem sich alles abspielt, eine entsprechend unbehagliche, frostige Atmosphäre, die durchgehend über diesem Familienurlaub schwebt. „Höhere Gewalt“ zeichnet sich also nicht zuletzt durch seinen intelligenten und originellen Plot, sondern auch durch die Art der Narration, sowie großartigen Darstellern aus, weswegen der Film nach seinem Erfolg bei Kritik und Publikum in Cannes unter anderem auch als Schwedens offizieller Beitrag für die kommenden Oscars ins Rennen geht.

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