Im Taxi mit Madeleine
Frankreich | 2022 | FSK 12
Filmfest Rotterdam 2023
Charles ist ein leicht desillusionierter Taxifahrer in Paris und meistens schlecht drauf. Die Schulden drücken, beim nächsten Verkehrsverstoß ist der Führerschein weg und dann noch der Ärger mit seiner Frau. Er hat eine ziemlich kurze Zündschnur, eine rote Ampel kann ihn da schon zum Choleriker machen. Als er nach Bry-sur-Marne gerufen wird, um eine 92-jährige Dame ins Altenheim am anderen Ende der Stadt zu bringen, will er die Tour nur schnell hinter sich bringen. Aber daraus wird nichts…
Die alte Dame stellt sich als Madeleine vor. Sie hat es überhaupt nicht eilig, ins Altenheim zu kommen, sie ist elegant gekleidet und im Gegensatz zu Charles ziemlich redselig. Sofort verwickelt sie ihn in ein Gespräch und wünscht sich jede Menge kleine Umwege, um noch einmal die Orte ihrer Vergangenheit aufzusuchen. Zu all diesen Orten gibt es eine Geschichte und Madeleine wird sie ausführlich erzählen. Dabei hat sie offensichtlich nicht unbedingt ein schönes Leben gehabt, aber sie ist ihren Weg gegangen und blickt nun zurück auf ein bewegtes Leben.
Als junge Frau hat sie sich in den Falschen verliebt. Aber damals in den 1950er Jahren ließ man sich wegen häuslicher Gewalt nicht scheiden, und so war ihr Weg in die Emanzipation steinig und schmerzhaft. Madeleine erzählt davon, wie man es nicht einmal guten Freunden erzählt und findet in Charles einen immer verständnisvoller werdenden Zuhörer. Der entdeckt am Ende gar Parallelen zu seinem eigenen Leben, denkt an manches Problem mit seiner Frau und wenn er in den Rückspiegel schaut, sieht er oft genug nicht die alte Dame, sondern seine eigenen Verfehlungen.
Dany Boon und Line Renaud spielen das Pärchen. Sie kennen sich aus den Sch’ti-Filmen und sind auch privat befreundet. Regisseur Christian Carion hat ihnen die Rollen auf den Leib geschrieben und die Chemie stimmt zwischen den beiden. “Line spielt die Hauptrolle und es ist ganz wunderbar, wie sich Dany in ihren Dienst gestellt hat”, schwärmt der Regisseur, der auch bei den schwierigen Themen den richtigen Ton trifft und jede Menge Sympathie versprüht.
Sind die beiden am Anfang noch so unterschiedlich, im Laufe des Films kommen sie einander näher, die Gespräche werden intensiver und sie gewinnen viel Sympathie füreinander, bis sie schließlich zu Freunden werden. Sicherlich ist das Ende des Films vorhersehbar, aber wie so oft ist auch hier der Weg das Ziel, und den inszeniert Carion mit leichter Hand und subtilem Humor. Er erinnert uns daran, dass alte Menschen meist viel zu erzählen haben, es hört ihnen nur niemand mehr zu. So wird aus der Taxifahrt ins Seniorenheim ein Tagestrip, während dessen wir nicht nur besondere Orte in Paris sehen, sondern auch ein außergewöhnliches Leben erzählt bekommen.